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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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Gefühlen. Ganz im Gegenteil. Alheidis war eine wundervolle Ehefrau und eine gute Mutter gewesen, und Albert hatte sie stets geachtet; doch niemals hatte er es geschafft, sie so zu lieben, wie er Ragnhild liebte. Er war sich sicher, dass sie es gespürt hatte. Trotz seiner beachtlichen Mühen, es vor ihr zu verbergen, musste es seiner Frau nach den ersten Ehejahren irgendwann schmerzlich klar geworden sein. Niemals schaffte er es, sie so anzusehen, wie er Ragnhild ansah, wenn sie einander zufällig begegneten. Tapfer hatte Alheidis diese Kränkung ertragen und sich niemals beklagt, doch manchmal hatte sie sich deshalb des Nachts in den Schlaf geweint. Albert hatte es vernommen, doch er konnte sie nicht trösten und war darum stumm geblieben. Was hätte er schon sagen sollen? Es wären bloß Versprechen gewesen, die er nicht hätte einhalten können.
    Nun war sie tot, und Albert konnte nicht fassen, dass er die Ungerechtigkeit, die er ihr ungewollt angetan hatte, niemals würde gutmachen können. Schmerzlich spürte er, wie viel sie ihm bedeutet hatte. Er vermisste sie, vermisste ihr ständiges Lachen, ihre roten Haare und ihre Sommersprossen. Doch er vermisste sie wie eine Schwester, die ihm sehr nahegestanden hatte. Seine Trauer war aufrichtig, aber es war nicht die Trauer eines Ehemannes um sein Weib.
    Nachdem der nächste Tag schon zur Hälfte vorbei war, richtete er sich endlich auf und sah Alheidis das letzte Mal in ihr mittlerweile fahles Gesicht. Seine Tränen waren versiegt und der Weinkrug leer. Es gab hier nichts mehr, das ihn hielt. Albert zückte sein Messer, griff nach einer ihrer roten Haarsträhnen und schnitt sie ab. Danach küsste er ihre erkalteten Lippen und sagte: »Verzeih mir, Alheidis. Verzeih, dass ich dich nicht lieben konnte, wie du es verdient hattest. Ich wünschte, ich wäre dir ein besserer Gemahl gewesen.«
    Runa lag mit aufgerissenen Augen auf ihrer Bettstatt und starrte in die tiefschwarze Leere über sich. Schon die ganze Nacht über lag sie so da und konnte nicht einschlafen. Zu viele Gedanken hielten sie wach.
    Sie fragte sich, wie es ihrer Mutter in den letzten Tagen ergangen war. Ahnte sie, dass Ingrid Schuld daran trug, dass ihre regelmäßigen Treffen nun nicht mehr stattfanden, oder dachte sie womöglich, dass Runa sie nicht mehr sehen wollte? Letzteres versetzte der jungen Begine regelrecht einen Stich ins Herz, doch es gab nichts, was sie tun konnte, ohne sich selbst oder ihre Mutter in Gefahr zu bringen.
    Zunächst hatte Runa überlegt, ihrer Mutter eine Nachricht zukommen zu lassen, doch sie wusste, dass Ragnhild mindestens genauso streng von Symon überwacht wurde wie sie selbst von Ingrid. Würde man eine von ihnen beiden bei einer Zuwiderhandlung beobachten, so hätte das sicher strenge Konsequenzen für sie.
    In Gefahr begab sich Runa sowieso allemal genug. Die heimlichen Treffen mit Johann waren mittlerweile zu einem gefährlichen Spiel geworden, dessen beide nicht mehr Herr waren. Zwischen ihnen war eine heftige Liebe entbrannt, die weder er noch sie aufzuhalten in der Lage waren. Immer häufiger vernachlässigte Runa ihre Pflichten als Begine, nur um sich mit Johann in dem kleinen windschiefen Haus zu treffen.
    Johann drängte sie zu kommen, wann immer es ging, und Runa folgte seinem unerhörten Wunsch, der ja eigentlich auch der ihre war. Ihr Herz frohlockte, sobald sie zusammen waren, doch ihr Verstand warnte sie. Runas einst so gute Tarnung funktionierte nicht mehr, denn ihr bisher unauffälliges Verhalten war mit der Zeit auffälliger geworden, und es begann sie zu verraten. Immerzu hing sie ihren Gedanken nach, und die Tagträumereien gingen zulasten ihrer Aufmerksamkeit. Jede Schwester, die Runa ansprach, musste das Gesagte ein zweites Mal wiederholen. Erst gestern hatte sie zu ihrem Erschrecken vernommen, wie einige Beginen hinter ihrem Rücken zu tuscheln begannen. Es konnte so nicht weitergehen.
    Runa wusste schon seit langer Zeit, dass diese Treffen ein Ende haben mussten, bevor man sie entdeckte. Ihre Liebe würde sowieso niemals bestehen können, und sie sollte besser jetzt enden, bevor noch etwas Schlimmes geschah. Auch wenn allein der Gedanke Runa fast das Herz zerriss, stand ihr Entschluss fest. Dieses Mal würde sie sich durchsetzen! Sie würde Johann sagen, dass ihre heimlichen Treffen nun der Vergangenheit angehörten.
    Doch genauso fest entschlossen wie jetzt in diesem Moment war sie auch schon am gestrigen Tage in das kleine Haus gegangen; nur um

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