Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
Diele!«
Schnell kamen beide herbeigelaufen. Es war leicht zu erkennen, dass es etwas zu verkünden gab, und offensichtlich schien es sich um etwas Erfreuliches zu handeln, denn Conrads Lippen wurden von einem kleinen Lächeln umspielt, als er zu reden ansetzte. »Alberts Weib ist heute Nacht im Kindbett verstorben. Das Balg ist auch tot. Wie es scheint, ist das Pech tatsächlich wieder mit eurem Vater, Jungs.«
Hilda durchfuhr ein Stich. Sie konnte kaum glauben, was sie hörte, doch noch weniger konnte sie Conrads Gesicht dazu ertragen. Auch wenn es kein Geheimnis war, dass er seinem Bruder schon seit Jahren jedes Glück missgönnte, war die Freude über Alheidis’ Tod dennoch unbarmherzig und grausam. Unter den missbilligenden Blicken der drei Männer schlugen Hilda und Marga fast gleichzeitig ein Kreuz. Was für eine furchtbare Kunde – die Frauen waren tief erschüttert.
Conrad hingegen empfand seit langer Zeit endlich wieder ein Gefühl der Gerechtigkeit. Albert hatte nun wirklich genug Glück gehabt. Eine hübsche Gemahlin, eigene Kinder und das erfolgreiche Handelsgeschäft; nun endlich schien ihn dieses unverschämte Glück zu verlassen, und Conrad ließ seiner Freude darüber freien Lauf.
Johannes war der Erste, der etwas dazu sagte. Die jahrelangen Einflüsterungen seiner Stiefeltern hatten ihn schon vollkommen vergiftet. »Wahrscheinlich ist sein Weib an ihren eigenen Zaubertränken zugrunde gegangen. Ihr Haar war rot wie Feuer. Sie war mit Sicherheit eine Hexe. In der Hölle soll sie schmoren; und unser Vater gleich mit ihr!«
Conrad fing an zu lachen und hieb seinem Stiefsohn stolz die Hand auf die Schulter. »So ist es recht, Johannes. Albert hat keine Anteilnahme verdient.« Conrad ließ keine Möglichkeit ungenutzt, die beiden Jungs gegen seinen Bruder aufzuhetzen.
Nun fing auch Godeke an, seinem Zwilling die hassgeschwängerten Worte nachzuplappern, um so auch an ein Lob des Stiefvaters zu gelangen. Häufig stand er seinem Bruder nach – wenn auch nicht an Körperlänge, dann aber doch in Sachen Boshaftigkeit. Es war offensichtlich, dass er versuchte ihm in allen Dingen nachzueifern. Ebenso offensichtlich war es, dass Conrad Johannes bevorzugte.
Als die Männer sich wieder in alle Richtungen verstreut hatten, blieben Marga und Hilda wie erstarrt zurück. In dieser Familie hatte es niemals Mitgefühl für Ragnhild oder Runa gegeben; doch ebenso wenig gab es das für Albert – den blutsverwandten Sohn des Hauses.
Hilda, die ihn seit dem Tag seiner Geburt kannte und liebte, kämpfte sichtlich mit den Tränen. Da sie selbst vor vielen Jahren ihren Ehemann verloren hatte, wusste sie genau, wie quälend ein solcher Verlust war. Zu gerne hätte sie Albert jetzt etwas Tröstendes gesagt oder ihm irgendwie anders beigestanden. Sie wusste, dass ihm die immer fröhliche Art von Alheidis sicher schmerzlich fehlen würde; doch sie wusste ebenso, dass Albert seine Frau dennoch niemals so angeschaut hatte wie Ragnhild. Die Schlüsse, die sie daraus zog, behielt Hilda jedoch seit Jahren für sich.
3
Seitdem Runa das Bett ihrer kleinen Kammer verlassen hatte, fühlte sie sich elend in der Bauchgegend. Schon während der ersten Worte ihres morgendlichen Gebets hatte ihr Magen angefangen zu grimmen und seither keine Ruhe gegeben. Eine ganze Zeitlang fragte sie sich, ob sie wohl etwas Falsches gegessen hatte, doch sie kam auf keine Antwort. Ausgerechnet heute, ärgerte Runa sich stumm, denn der Tag war dicht gepackt mit Krankenbesuchen. Doch bevor sie damit begann, wollte sie noch zu ihrem Vater auf die Grimm-Insel gehen.
Wie allen Beginen-Schwestern war es auch ihr erlaubt, in regelmäßigen Abständen ihre Familie zu besuchen. Auch wenn ihr durch Ingrids Strafe seit jüngster Zeit untersagt war, Besuch von ihrer Mutter zu empfangen, galt dieses Verbot glücklicherweise nicht für ihren Vater. Es hätte Runa allerdings nicht gewundert, wenn Ingrid bald einen Grund finden würde, um ihr auch diese Freude zu nehmen.
Die Zeit der Annäherung zwischen Runa und ihrem Vater war schneller vonstattengegangen als bei ihrer Mutter. Auch wenn sie sich damals davor gefürchtet hatte, was wohl passieren würde, hatte sie dennoch gleich nach ihrem Eintritt ins Kloster von dem Recht Gebrauch gemacht, ihren Vater zu besuchen. Weinend hatte sie an seine Tür geklopft; Albert selbst hatte ihr geöffnet und seine Tochter sogleich wortlos in die Arme geschlossen. Dieser Tag war nun bereits vier Jahre her, und seitdem
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