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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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geschlossenen Augen da und schlief ebenso friedlich wie ihre Söhne.
    »Hilda! Hilda!« Wo steckt diese Magd nur wieder?, dachte Luburgis verärgert und stapfte in Richtung Küche.
    Insgeheim wusste sie, dass eine Geburt viel Arbeit für die Magd bedeutete und dass sie sicher noch dabei war, Wasser zu kochen, um die Laken wieder rein zu waschen, doch in ihrer jetzigen Stimmung war sie absolut nicht gewillt, auch nur ein gutes Haar an Hilda zu lassen.
    Als sie gerade erneut rufen wollte, trat Hilda mit zwei vollen Wassereimern durch die Hintertür, die zum Hof führte. »Ihr habt gerufen, Herrin?«, fragte sie scheinbar unterwürfig.
    »Allerdings«, lautete die missgelaunte Antwort. »Sieh zu, dass du mit der Wäsche und deinen weiteren Aufgaben fertig wirst. Heute Abend soll es ein Mahl zu Ehren der Neugeborenen und natürlich zu Ehren unseres gütigen Gottes geben«, formulierte Luburgis salbungsvoll.
    »Natürlich, Herrin, wie Ihr wünscht. Was soll mit dem Fisch geschehen, der gestern gekauft worden ist? Wie Ihr wisst, kam ich nicht dazu, ihn zu bereiten.«
    »Lege ihn in Salzlake ein, damit er sich hält, und dann schlachte eine der Gänse«, befahl Luburgis unfreundlich und wandte sich zum Gehen. Gleich darauf hielt sie jedoch inne und sagte noch: »Ach ja, schick Marga zum Hause der von Horborgs. Sie soll dem Hausherrn bestellen, dass es heute ein Mahl anlässlich des erfreulichen Ereignisses geben wird.« Luburgis spie diese Worte mit einer solchen Verachtung aus, dass es selbst Hilda nicht verborgen blieb. Doch was sie daraufhin sagte, ließ die Magd erst recht erschauern. »Richte Dominus Willekin außerdem aus, dass es Albert und Ragnhild eine Ehre wäre, wenn er der Gevatter der neugeborenen Zwillinge werden würde.«
    Obwohl Hilda noch dachte, dass diese Worte unmöglich von Albert und Ragnhild stammen konnten und sie mit Sicherheit bloß eine weitere Gemeinheit von Luburgis und Conrad waren, knickste sie und sagte: »Jawohl, Herrin«, bevor sie ihre Tochter holen ging.
    Marga war Hildas einziges Kind. Mit ihren dreizehn Jahren arbeitete sie wie ihre Mutter als Magd für die Familie von Holdenstede. Ihren Vater hatte sie kaum kennengelernt. Vor über zehn Jahren verstarb er am Wundfieber, ausgelöst durch eine Verletzung am Bein. Er war Fischer gewesen, der gelegentlich als Hilfsarbeiter am Hafen aushalf. Eines Tages schnitt er sich beim Löschen eines Schiffs, wie das Entladen genannt wurde, an einer grob gezimmerten Holzkiste ins Bein. Durch die harte Arbeit nicht zimperlich, schenkte er der Verletzung kaum Beachtung und wickelte lediglich einen schmierigen Lappen darum. Als Hilda auffiel, dass er humpelte, war es bereits zu spät. Kurz darauf kam das Fieber, dann nässte die Wunde, faulte und streckte ihn schließlich dahin. Selbst das Abnehmen des Beins hatte ihn nicht mehr retten können, und so blieb Hilda mit ihrer damals noch kleinen Tochter Marga allein zurück.
    Noch immer besaßen die beiden Frauen die kleine Hütte im Kirchspiel St. Jacobi, in der sie zu dritt gelebt hatten. Seit dem Tod ihres Mannes und Vaters allerdings hielten sie sich fast nur noch in dem Haus in der Reichenstraße auf.
    Diese beiden Gegenden der Stadt hätten unterschiedlicher kaum sein können. Wo die Reichenstraße von großzügigen Kaufmannshäusern beherrscht wurde, stand die kleine Hütte Hildas in der leicht verrufenen Gegend des östlichen Hamburg. Hier, hinter dem Heidenwall, war vor einigen Jahren das Viertel der Fischer entstanden. Neben den zig windschiefen Holzbaracken, die zumeist aus nur zwei Kammern und einer offenen Feuerstelle bestanden, befanden sich im Zentrum des Kirchspiels die noch junge Pfarrkirche St. Jacobi und das Kloster der Blauen Schwestern, dessen Nonnen diesen Namen wegen ihrer blauen Kutten bekommen hatten.
    Hilda hatte damals großes Glück gehabt. Auch nachdem sie schwanger wurde, beschäftigte die gutmütige Mechthild von Holdenstede – die Mutter von Albert und Conrad – sie weiter als Magd. Nach der Geburt brachte sie ihren Säugling mit in die Reichenstraße. Marga war ein ruhiges Kind gewesen, und so kam es, dass sie im Haus der von Holdenstedes aufwuchs, ohne dass je irgendwer Anstoß an ihrer Anwesenheit nahm. Als sie sechs Jahre alt war, fing Hilda an, ihr regelmäßig leichte Aufgaben zu übertragen. Fast wie von selbst wurde Marga ebenso zur Magd des Hauses.
    »Da bist du ja, Kind«, rief Hilda erleichtert, als sie ihre Tochter durch die Tür kommen sah.
    »Hallo, Mutter.

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