Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
aufgewacht sein mochte. Plötzlich wurden seine Gedanken durch Geräusche hinter ihm unterbrochen. Noch bevor er sich umdrehen konnte, vernahm er ein Quietschen und Trampeln, und im nächsten Moment sah er zwei Beine in die Luft schnellen.
»Ahhh … verdammtes Eis!«, schimpfte der Gefallene. Arnoldus lag platt vor ihm auf dem Rücken. Albert musste sich zusammenreißen, um sich das Lachen zu verkneifen.
»Heilige Muttergottes, hoffentlich sind meine Knochen noch heil.«
So schnell es die Witterung zuließ, kam Albert ihm zu Hilfe. Er streckte ihm die Hand entgegen und wuchtete den dicken Mann umständlich wieder auf die Beine. Als sie endlich an der Reling standen, brach das Lachen aus beiden heraus.
Arnoldus klopfte seinem Retter dankbar auf die Schulter und sprach: »Ja, ja, manchmal ist das Leben an Bord gefährlich, obwohl es weit und breit keine Piraten gibt, die einen überfallen könnten.«
»Das kann man wohl sagen«, bejahte Albert lachend, um dann nach einigen Momenten das Thema zu wechseln. »Das Wetter scheint nun endgültig umzuschlagen. Heute hat es bereits viel Schneeregen gegeben.«
»Das ist richtig. Leider kommt meine dicke Dame nicht so schnell voran, wie ich es mir gewünscht habe. Gestern haben wir erst die Insel Buise passiert«, gestand der Schiffer mit einem leichten Klopfen auf das Holz des Schiffs.
»Was meint Ihr, wann wir Flandern erreichen werden?«
»Unter diesen Umständen kann ich es nicht genau sagen«, antwortet Arnoldus wahrheitsgemäß. »Wir könnten es in zehn Tagen schaffen, wenn das Wetter nicht schlechter wird, aber vielleicht brauchen wir auch noch zwei oder drei Wochen.«
»Hmm«, brummte Albert nur.
Arnoldus schaute Albert von der Seite an. Er wusste schon, was sein hochwohlgeborener Gast als Nächstes sagen würde.
»Es ist wirklich sehr wichtig, dass wir schnell wieder zurück sind … sehr wichtig, Arnoldus.« Während er das sagte, schaute Albert auf die Wellen hinunter, die der Schiffsbug beim Fahren erzeugte.
Beide Männer waren mittlerweile bis auf die Haut durchnässt. Albert blinzelte gegen den Regen an, und Arnoldus zog sich die Mütze tiefer ins Gesicht.
»Ich weiß, dass es mir eigentlich nicht zusteht, Euch dies zu fragen, aber warum fahrt Ihr so spät im Jahr noch nach Flandern? Was treibt Euch an?«
Diese Frage war in der Tat ungebührlich, doch zwischen den Männern hatte sich in den letzten Tagen eine Art stille Freundschaft entwickelt, und Albert empfand sein vertrautes Verhalten deshalb nicht als unangenehm.
»Diese Fahrt, Schiffsherr, ist für mich die Fahrt in die Freiheit!«
Ragnhild lief barfuß die Treppe hinunter. Fast schien sie über den Boden zu schweben. Obwohl es kalt außerhalb ihrer Kammer war, fror sie nicht. Immer wieder hatte man ihr gesagt, dass ihr die ersten Schritte schwerfallen würden, weil die Kraft während des langen Liegens schwand; doch davon spürte sie nichts. Sie fühlte sich körperlos und bewegte sich instinktiv, ohne zu denken.
Erst als sie bereits in der Diele stand, schaute sie an sich herunter. Schlagartig wurde ihr bewusst, wie unangemessen sie gekleidet war. Das dünne Leinenunterkleid, welches ihr wohl von Hilda in der Zeit ihrer Bettlägerigkeit angezogen worden war, war fadenscheinig, fast löcherig. Ihre Brustwarzen zeichneten sich deutlich darunter ab, und ihre nackten Knöchel waren gerade so bedeckt. Sie schämte sich ganz fürchterlich und wollte sofort zurück in ihre Kammer, um sich etwas überzuziehen. Doch gerade in dem Moment, als Ragnhild sich hastig zur Treppe umdrehte, öffnete sich die Haustür, und Conrad stürmte herein. Ein kurzer Schrei entwich Ragnhilds Mund, während sie versuchte, ihre Blöße mit den Händen zu bedecken.
Hinter Conrad traten weitere Männer ein. Einer nach dem anderen, bis die Diele voll war. Keinen davon hatte Ragnhild jemals zuvor gesehen. Sie wollte die Treppe hinaufstürmen, doch blitzschnell verstellte ihr einer der Männer den Weg. Sie taumelte rückwärts und stieß nach zwei Schritten gegen einen anderen Leib. Panisch drehte sie sich um die eigene Achse. Es war Conrad, der sie nun an ihren unbedeckten Haaren packte und ihren Kopf nach hinten riss. »Warum trägst du keine Haube, wie es sich für ein Eheweib geziemt?«
Sein Gesicht war ihr so nah, dass sie seinen weingeschwängerten Atem riechen konnte. Sie wollte etwas erwidern, doch sie kam nicht dazu. Brutal stieß er sie zu Boden. »Endlich bist du da, wo du hingehörst, du Hure. Zu meinen
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