Die Frau des Zeitreisenden
steigt aus dem Wasser, steht tropfend am Strand wie eine nasse Ratte. Ich reiche ihm sein Hemd, das er zum Abtrocknen benutzt. Dann zieht er sich an und bleibt ruhig stehen, in Erwartung dessen, was die Polizei nun mit ihm vorhat. Am liebsten würde ich ihn küssen und dann umbringen. Oder umgekehrt. Henry legt einen klammen, feuchten Arm um mich. Ich schmiege mich an ihn wegen seiner Kühle, und er schmiegt sich an mich wegen meiner Wärme. Die Polizei stellt ihm Fragen, die er höflich beantwortet. Es sind Beamte aus dem Vorort Evanston, dazu noch einige aus Morton Grove und Skokie, die einfach so vorbeigekommen sind. Wären es Beamte aus Chicago, würden sie Henry kennen und ihn festnehmen.
»Warum haben Sie nicht reagiert, als der Kollege Ihnen sagte, Sie sollen aus dem Wasser kommen?«
»Weil ich Ohropax im Ohr hatte, Captain.«
»Ohropax?«
»Damit kein Wasser in meine Ohren dringt.« Henry tut, als wenn er in seinen Taschen herumwühlen würde. »Keine Ahnung, wo sie abgeblieben sind. Ich trage immer Ohropax, wenn ich schwimme.«
»Und warum sind Sie um drei Uhr morgens geschwommen?«
»Ich konnte nicht schlafen.«
Und so weiter. Henry lügt nahtlos, ordnet die Fakten, um seine These zu stützen. Am Ende stellen ihm die Polizisten widerwillig eine Verwarnung aus, wegen Schwimmens, während der Strand offiziell geschlossen ist. Ein Bußgeld über $ 500. Kaum lässt uns die Polizei gehen, strömen die Reporter, Fotografen und Fernsehkameras auf uns zu. Kein Kommentar. Nur eine Runde geschwommen. Bitte, wir möchten wirklich nicht fotografiert werden. Klick. Schließlich schaffen wir es zum Auto, das ganz allein, mit dem Schlüssel im Zündschloss, an der Sheridan Road steht. Ich starte den Motor und rolle mein Fenster herunter. Die Polizei, die Reporter und das ältere Paar, alle stehen auf dem Rasen und beobachten uns. Wir sehen uns nicht an.
»Clare.«
»Henry.«
»Es tut mir Leid.«
»Mir auch.« Er schaut zu mir herüber, berührt meine Hand auf dem Lenkrad. Dann fahren wir schweigend nach Hause.
Clare: Kendrick führt uns durch ein Labyrinth von ausgelegten, mit Gipskartonplatten versehenen und lärmgedämpften Fluren in ein Konferenzzimmer. Es gibt keine Fenster, nur blauen Teppichboden und einen langen, glänzend schwarzen Tisch, umgeben von gepolsterten Drehstühlen. Dann eine weiße Tafel und ein paar Textmarker, eine Uhr über der Tür und eine Kaffeemaschine, neben der griffbereit Tassen, Milch und Zucker stehen. Kendrick und ich setzen uns an den Tisch, Henry schreitet im Raum umher. Kendrick nimmt seine Brille ab und massiert mit den Fingern die Seiten seiner kleinen Nase. Die Tür öffnet sich, und ein junger Latino in Schutzkleidung rollt einen Wagen in den Raum. Auf dem Wagen steht ein mit einem Tuch abgedeckter Käfig. »Wo möchten Sie ihn hinhaben?«, fragt der junge Mann, und Kendrick sagt: »Lassen Sie einfach den ganzen Wagen da, wenn es Ihnen nichts ausmacht«, worauf der Mann die Achseln zuckt und sich entfernt. Kendrick geht zur Tür, dreht an einem Knopf, und das Licht verdüstert sich zu einem Dämmern. Ich kann Henry, der neben dem Wagen steht, kaum noch sehen. Kendrick geht zu Henry und entfernt stumm das Tuch.
Zedernduft weht aus dem Käfig. Ich stehe auf und blicke hinein. Ich sehe nur das Innere einer Toilettenpapierrolle, ein paar Futterschalen, eine Wasserflasche, ein Laufrad, weiche Zedernspäne. Kendrick öffnet oben den Käfig, greift hinein und hebt etwas Kleines und Weißes heraus. Henry und ich drängen uns um ihn, starren die winzige Maus an, die blinzelnd auf Kendricks Handteller sitzt. Kendrick holt eine kleine Stablampe aus seiner Tasche, schaltet sie ein und bewegt sie blitzschnell über der Maus. Die Maus verkrampft, dann ist sie verschwunden.
»Donnerwetter«, sage ich. Kendrick legt das Tuch wieder über den Käfig und dreht das Licht hell.
»In der neuen Nummer von Nature, die nächste Woche erscheint, wird darüber berichtet«, erklärt er und lächelt. »Es ist die Titelgeschichte.«
»Gratuliere«, sagt Henry und sieht auf die Uhr. »Wie lange bleiben sie gewöhnlich weg? Und wohin verschwinden sie?«
Kendrick weist auf die Kaffeemaschine, und wir nicken beide. »In der Regel sind sie etwa zehn Minuten oder so weg«, erwidert er, schenkt im Sprechen drei Tassen Kaffee ein und gibt jedem eine. »Sie gehen ins Tierlabor im Keller, wo sie geboren wurden. Offenbar können sie immer nur ein paar Minuten in die eine oder andere Richtung.«
Henry
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