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Die Frau des Zeitreisenden

Die Frau des Zeitreisenden

Titel: Die Frau des Zeitreisenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Niffenegger
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sind?«
    »Nein. Das heißt, vielleicht schon, aber anders, als du meinst. Ich bewege mich noch immer durch die Zeit, an die du dich erinnerst, also ist sie für mich noch nicht vorbei. Ich befürchte eher, dass wir im Hier und Jetzt nicht aufmerksam genug sind. Weißt du, durch die Zeit zu reisen bedeutet irgendwie, in einem anderen Zustand zu sein, es ... schärft mein Bewusstsein, wenn ich dort draußen bin, und das scheint irgendwie wichtig zu sein. Manchmal denke ich, dass alles wunderbar wäre, wenn ich im Hier und Jetzt genauso aufmerksam wäre. Aber in letzter Zeit sind ein paar tolle Sachen passiert.« Er lächelt sein herrlich schiefes, strahlendes Lächeln, ganz Unschuld, und ich gestatte meinen Schuldgefühlen, sich wieder in die kleine Schachtel zu verkrümeln, in der ich sie eng zusammengefaltet aufbewahre wie einen Fallschirm.
    »Alba.«
    »Alba ist traumhaft. Und du bist traumhaft. Im Ernst, so sehr ich dich liebe, wenn ich in der Vergangenheit bin ... entscheidend ist doch immer unser Zusammenleben, die Vertrautheit...«
    »Durch Dick und Dünn...«
    »Und dass es auch schlechte Zeiten gibt, macht alles nur realer. Ich will die Realität, nichts anderes.«
    Sag es ihm, los, mach schon.
    »Bisweilen kann auch die Realität ziemlich unwirklich sein...« Wenn ich es überhaupt jemals erzählen will, dann jetzt. Er wartet. Aber ich. Kann nicht.
    »Clare?« Ich sehe ihn unglücklich an, wie ein Kind, das sich in eine komplizierte Lüge verstrickt hat, und gestehe es dann fast unhörbar.
    »Ich hab mit jemandem geschlafen.« Henrys Gesicht ist starr vor Ungläubigkeit.
    »Mit wem?«, fragt er, ohne mich anzusehen.
    »Gomez.«
    »Warum?« Henry ist ruhig, er wartet auf den Schlag.
    »Ich war betrunken. Wir waren auf einer Party, und Charisse war in Boston...«
    »Moment. Wann war das?«
    »1990.«
    Er fängt zu lachen an. »Du lieber Gott. Clare, tu mir das nicht an, Mist. 1990. Das darf nicht wahr sein, ich dachte, du sprichst von einer Sache, die letzte Woche oder so passiert ist.« Ich lächle matt. Er sagt: »Ich meine, nicht dass ich deswegen vor Freude im Karree springe, aber da ich dich gerade aufgefordert habe, auszugehen und zu experimentieren, kann ich wohl schlecht... ich weiß auch nicht.« Er wird unruhig, steht auf und fängt an, im Atelier auf und ab zu gehen. Ich kann es nicht fassen. Fünfzehn Jahre war ich vor Angst wie gelähmt, weil ich dachte, Gomez könnte in seiner trampeligen Gefühllosigkeit etwas ausplaudern oder tun, und jetzt macht es Henry gar nichts aus. Oder doch?
    »Und wie war’s?«, fragt er ganz beiläufig, den Rücken mir zugewandt, und fummelt an der Kaffeemaschine herum.
    Ich wähle meine Worte mit Bedacht. »Anders. Ich meine, ohne dass ich an Gomez’ Image kratzen will...«
    »Ach, nur zu.«
    »Stell dir vor, ich wär ein Porzellanladen und wollte mit einem Stier zum Orgasmus kommen.«
    »Gomez ist schwerer als ich«, stellt Henry sachlich fest.
    »Wie es heute ist, kann ich nicht beurteilen, aber damals fehlte ihm jegliches Feingefühl. Er hat tatsächlich geraucht, als er mit mir gevögelt hat.« Henry verzieht das Gesicht. Ich stehe auf, gehe zum ihm hinüber. »Tut mir Leid. Es war ein Fehler.« Er zieht mich an sich, und ich sage leise in seinen Kragen: »Ich habe sehr geduldig gewartet...«, aber dann kann ich nicht fortfahren. Henry streichelt mir übers Haar. »Schon gut, Clare«, sagt er. »Ist doch nicht so schlimm.« Ich frage mich, ob er die Clare, die er soeben im Jahr 1989 getroffen hat, mit der doppelzüngigen Frau in seinen Armen vergleicht, und als könnte er meine Gedanken lesen, sagt er: »Noch irgendwelche Überraschungen?«
    »Das war alles.«
    »Lieber Himmel, du kannst wirklich ein Geheimnis bewahren!« Ich sehe Henry an, und er mustert mich, und ich merke, dass ich mich in seinen Augen irgendwie verändert habe.
    »Dadurch ist mir klarer geworden ... danach wusste ich zu schätzen wie...«
    »Du willst sagen, der Vergleich hat mir nicht geschadet?«
    »Genau!« Ich küsse ihn behutsam, und nach kurzem Zögern erwidert Henry meinen Kuss, und schon bald sind wir uns wieder gut. Mehr als gut. Ich habe es ihm gesagt, und es war in Ordnung, er liebt mich immer noch. Mein ganzer Körper fühlt sich leichter an, und ich seufze erleichtert, weil ich endlich gebeichtet habe und nicht einmal ein Bußgebet sprechen muss, nicht ein einziges Ave Maria oder Vaterunser. Ich komme mir vor wie jemand, der aus einem zu Schrott gefahrenen Auto unversehrt

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