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Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Titel: Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Pavone
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Schublade zu und öffnet die Metallkassette. Sie nimmt die Beretta heraus, die ohne Magazin viel leichter ist. Das glatte schwarze Metall liegt kalt in ihrer Hand.
    Sie wirft einen Blick auf das Foto auf dem Schreibtisch – ein Schnappschuss, der die Jungs am Strand von St. Tropez zeigt, braun gebrannt, das Haar von der Sonne gebleicht, im goldenen Licht eines Spätnachmittags Ende Juli letzten Jahres.
    Am Ende hat Dexter es Kate überlassen zu entscheiden, wo sie wohnen sollen. Zwar behauptete er, ein Leben auf dem Land oder in einer Kleinstadt vorzuziehen – irgendwo in der Toskana oder in Umbrien, in der Provence, an der Côte d’Azur oder sogar der Costa Brava –, aber Kate geht davon aus, dass Dexter in Wahrheit nicht auf dem Land leben, sondern lediglich derjenige sein wollte, der in ihrer Diskussion die Segel streicht. Er wollte ihr das Gefühl geben, als hätte sie gewonnen, als wäre es ihre Entscheidung.
    Sie wurde den Verdacht nicht los, dass er sie die ganze Zeit nach allen Regeln der Kunst manipuliert hatte. All die Jahre, in allem. Eine ziemliche Kehrtwende, nachdem er für sie stets der geradlinigste Mensch gewesen war, den sie kannte.
    Kate hat sich um der Jungen willen für Paris eingesetzt, auch wenn ihr Engagement wahrscheinlich überflüssig war. Sie sollten weltoffene Menschen werden und eine möglichst gute Ausbildung genießen, statt als verwöhnte, vom wahren Leben streng abgeschirmte Fratzen aufzuwachsen, die sich lediglich im Tennisspielen und beim Segeln hervortaten. Später, wenn die beiden auf die Uni gingen, konnten sie und Dexter sich immer noch in die Provence zurückziehen.
    Mit der Pistole in der Hand lehnt sie sich auf dem Stuhl zurück und denkt an dieses Paar, diese Fremden, von denen sie dachte, sie seien Freunde, die tatsächlich aber Feinde waren. Sie denkt an die verblüffend teuflische Ader, die sie an Dexter festgestellt hat, an ihr eigenes Verhalten, das fragwürdig und gerechtfertigt zugleich war. Und daran, was sie gleich tun wird.
    Sie lässt den Ladestreifen der Beretta einrasten, zieht die Abdeckung auf der Unterseite ihrer Handtasche hoch, lässt die Waffe hineinfallen und schließt die Abdeckung wieder.
    Dann nimmt sie das Handy zur Hand, das sie vor über anderthalb Jahren das letzte Mal eingeschaltet hat. Aber sie hat stets dafür gesorgt, dass es aufgeladen ist. Sie schaltet es ein und gibt eine lange Nummer ein. Nummern wie diese notiert sie nicht in Adressbüchern.
    Sie erkennt die Stimme am anderen Ende der Leitung nicht. Es ist eine Frau, die sich mit »Bonjour« meldet.
    » Je suis 6 022 553 «, sagt sie.
    »Einen Moment, Madame.«
    Kate sieht aus dem Fenster, über die steilen Dächer von St.-Germain, die Seine und den Louvre. Links ist der Eiffelturm zu sehen. Die Sonne, verborgen hinter der dünnen Wolkenschicht, taucht die Stadt in goldenes Licht und verleiht ihrer Aussicht einen unwirklichen Schimmer, fast zu perfekt.
    »Ja, Madame. Bon Marché, Damentoilette. Fünfzehn Minuten.«
    Kate sieht auf ihre Uhr. »Merci.« Sie eilt aus dem Zimmer, fährt mit dem Aufzug nach unten und tritt auf die Straße, wo eine leichte Brise sie empfängt. Sie geht die Rue du Bac entlang, weiter auf den Boulevard Raspail, dann in Richtung Süden, schlängelt sich durch die von Menschen bevölkerten Bürgersteige. Schließlich betritt sie ein Kaufhaus, steigt in den Aufzug und schiebt sich an den Frauen vorbei, die im Vorraum der Damentoilette herumstehen. Ein öffentliches Münztelefon läutet.
    »Hallo«, sagt sie und schließt die Tür hinter sich.
    »Wie schön, deine Stimme zu hören, meine Liebe«, sagt Hayden.
    »Gleichfalls«, sagt Kate. »Wir müssen reden. Von Angesicht zu Angesicht.«
    »Gibt es ein Problem?«
    »Nein, eigentlich nicht. Eher eine Lösung.«
    Er erwidert nichts.
    »Können wir uns um vier treffen?«
    »In Paris? Ich fürchte, nein, ich bin … nun ja, nicht in der Nähe.«
    »Aber auch nicht allzu weit weg. Und wenn ich mich nicht irre, hast du die Möglichkeit zu fliegen.« Obwohl Hayden während seiner langjährigen Karriere ausnahmslos im operativen Geschäft und nicht in der Verwaltung tätig war, hatte man ihn im vergangenen Jahr zum stellvertretenden Leiter des Europabüros befördert, ein Job, der ihm die Benutzung des Privatjets gestattete. Und ihm bei der Einstellung von Personal freie Hand ließ, vom Nachwuchsagenten in Lissabon bis hin zu den Verantwortlichen für die operativen Einsätze in London und Madrid. Und

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