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Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Titel: Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Pavone
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hatte ihr Haar stets kurz getragen, weil es praktischer war, eigentlich sogar ein Muss, wenn man ständig auf Reisen war. Und auch danach war ein Kurzhaarschnitt eindeutig die vernünftigere Lösung gewesen, schließlich war sie eine vielbeschäftigte berufstätige Mutter. Doch da es schwierig war, Zeit für regelmäßige Friseurtermine zu finden, war ihr Haar häufig eine Idee zu lang und folglich widerspenstig. So wie jetzt.
    Ihre Wangen wirkten schlaff. Kate war groß und schlank – irgendjemand hatte sie sogar einmal als hager bezeichnet. Wenig schmeichelhaft, doch absolut zutreffend. Und sie gehörte auch nicht zu diesen Verrückten, die sich ständig einbildeten, zu dick zu sein. Oder so taten. Dass ihre Wangen schlaff wirkten, lag lediglich daran, dass sie nicht auf ihre Ernährung und regelmäßigen Sport geachtet hatte, und es bedeutete, dass sie ein oder allerhöchstens zwei Pfund mehr auf die Waage brachte als sonst.
    Außerdem traten ihre Tränensäcke unter ihren graugrünen Augen in dem unfreundlichen Neonlicht deutlicher hervor als sonst. Sie schlief neuerdings schlecht, und letzte Nacht war es besonders schlimm gewesen. Sie sah einfach fürchterlich aus.
    Sie seufzte. »Das habe ich Ihnen doch schon vor zwei Stunden erzählt.«
    »Nicht mir«, erklärte Adam. »Wenn Sie es also bitte noch mal wiederholen würden.«
    Kate schlug ihre langen Beine übereinander. Ihre Beine waren stets einer ihrer körperlichen Pluspunkte gewesen. Sie hatte sich oft vollere Brüste oder eine ausgeprägtere Sanduhrfigur gewünscht, doch letzten Endes musste sie zugeben, dass lange Beine von den bizarren Schönheitsidealen, die Männer attraktiv fanden, am praktischsten waren. Große Brüste waren im Alltag eine überaus lästige Angelegenheit, und ein Hintern mochte in jungen Jahren eine prima Sache sein, bei Frauen ihres Alters, die wie sie nicht regelmäßig trainierten oder sich Süßigkeiten konsequent verboten, neigte er jedoch dazu, unerfreuliche Ausmaße anzunehmen.
    Kate hatte diesen Adam, einen bulligen Exmilitärtypen, noch nie vorher gesehen, was allerdings kein Wunder war. Ihre Firma beschäftigte Zehntausende Mitarbeiter, mehrere Tausend allein in der Gegend von Washington, D. C., die sich auf unzählige Bürogebäude verteilten. Folglich gab es jede Menge Mitarbeiter, denen sie noch nie begegnet war.
    »Der Vertrag meines Mannes läuft über ein Jahr. Das ist in dieser Branche üblich.«
    »Und nach einem Jahr?«
    »Hoffen wir, dass er verlängert wird. Auch das ist bei Mitarbeitern aus dem Ausland üblich.«
    »Und was passiert, wenn der Vertrag nicht verlängert wird?«
    Sie blickte über Adams Schulter in den großen Doppelspiegel, auf dessen anderer Seite eine Reihe von Vorgesetzten stand, die sie beobachteten. »Das weiß ich nicht.«
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    »Jungs.«
    »Aber das war Jake. Er –«
    » Jungs .«
    »Mami, Ben hat meinen –«
    » Jungs! Hört auf damit. Auf der Stelle! «
    Schlagartig herrschte Stille im Wagen. Dieselbe Stille wie an einem Morgen, an dem ein Tornado über die Stadt hinweggefegt war, Bäume entwurzelt, Äste auf die Straßen gewirbelt und Dächer abgedeckt hatte. Kate holte tief Luft, um sich zu beruhigen, während sie den eisernen Griff um das Lenkrad ein wenig lockerte. Sie hielt diese ewigen Kabbeleien einfach nicht aus.
    »Mami, ich hab einen neuen Freund«, verkündete Ben plötzlich mit fröhlicher Stimme. Es schien ihm nicht das Geringste auszumachen, dass er vor nicht einmal fünfzehn Sekunden zusammengestaucht worden war.
    »Das ist ja toll. Wie heißt er denn?«
    »Weiß ich nicht.«
    Natürlich nicht. Für solche Details interessierten sich kleine Kinder nicht.
    »Im Kreisverkehr. Die. zweite. Ausfahrt. nehmen. Und. Auf die. Autobahn. Auffahren«, wies die GPS-Stimme mit dem britischen Upperclass-Akzent sie an.
    »Auf. Die … Autobahn. Auffahren«, äffte Jake auf dem Rücksitz nach. »Auffahren. Auf die Autobahn. Mami, was ist eine Autobahn?«
    Es hatte Zeiten gegeben, in denen Kate Straßenkarten studiert hatte. Sie hatte sie geliebt. Sie hatte überall herumfahren können, ihr innerer Kompass hatte sie kein einziges Mal im Stich gelassen. Doch heute, mit dieser Julie-Andrews-Stimme, die einen an der Hand nahm und um jede Kurve auf der Straße führte, war sie nicht länger gezwungen, ihren Verstand zu gebrauchen.
    Kate hatte halbherzig vorgeschlagen, dass sie auch ohne GPS auskommen würden, doch Dexter war unerbittlich geblieben. Sein Orientierungssinn war noch nie

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