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Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Titel: Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Pavone
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der Île de la Cité herüberkommen, im Hintergrund Notre-Dame mit den Dämonenfratzen und den breiten Stützbalken. Die Jungs rannten über die Fußgängerbrücke, die die Inseln voneinander trennte, und schlängelten sich an Fußgängern, Radfahrern und nicht angeleinten Jack-Russell-Terriern vorbei.
    Kate stand auf und rief nach ihnen. Prompt kamen sie angestürmt, warfen sich in ihre Arme und küssten sie.
    »Sieh mal, Mami«, rief Jake und schwenkte triumphierend einen Plastik-Batman.
    »Ja!«, schrie Ben, der vor Aufregung ganz außer sich schien. »Sieh mal!« Er hatte einen Superman.
    »Wir waren in einem Comicladen«, gestand Dexter, »und konnten nicht widerstehen.« Er schien sich aufrichtig zu schämen, weil er den Kindern diesen in Amerika erfundenen und in Südostasien hergestellten Plastikmüll gekauft hatte.
    Kate zuckte mit den Achseln. Sie war längst über das Stadium hinaus, die Mittel und Wege zu kritisieren, mit denen ein Erwachsener einen ganzen Tag am Stück mit Kindern bewältigte.
    »Aber in einer Buchhandlung waren wir auch, stimmt’s, Jungs?«
    »Ja«, bestätigte Jake. »Dad hat uns Der Mini-Prinz gekauft.«
    »Klein.«
    »Stimmt. Es ist ein ziemlich kleines Buch, Mami«, erklärte Jake.
    »Nein. Das Buch heißt Der kleine Prinz . Bei Shakespeare and Company.«
    »Genau«, bestätigte Jake erneut. Er war offensichtlich gnädiger Stimmung. »Wann lesen wir es? Jetzt?«
    »Nein, jetzt nicht, Schatz«, sagte Kate. »Später.«
    Jake seufzte, ein Zeichen der abgrundtiefen Enttäuschung, die kleine Jungs tagtäglich hundertmal erleben müssen, wegen allem und gar nichts.
    »Monsieur?« Der Kellner stand neben Dexter, trat jedoch einen Schritt zur Seite, um das russische Pärchen mittleren Alters vorbeizulassen, das polternd von seinem Tisch aufstand. Die Frau war mit Einkaufstüten der sündhaft teuren Boutiquen der Rue St. Honoré beladen, die mindestens eine Meile entfernt lag.
    Dexter bestellte ein Bier. »Et les enfants?«, erkundigte sich der Kellner, ohne die Russen eines Blickes zu würdigen. »Quelque chose à boire?«
    »Oui. Deux. Fanta. Orange, s’il vous plaît. Et la carte.«
    »Bien sûr, Madame.« Der Kellner griff nach zwei ledergebundenen Speisekarten und musste erneut ausweichen, damit sich ein anderes Pärchen an den frei gewordenen Tisch setzen konnte.
    Selbst wenn man die Austern nicht mitrechnete – »ein grauer Riesenpopel in Glibbersauce«, wie Jake sie beschrieben hatte –, war das Essen am Vorabend für die Kinder nicht gerade ein durchschlagender Erfolg gewesen. Deshalb hoffte Kate inbrünstig, dass es in dieser Brasserie irgendetwas gab, was auch Kinder gerne aßen. Eilig überflog sie die Karte.
    Der Mann am Nebentisch bestellte sich etwas zu trinken. »La même chose«, meldete sich die Frau zu Wort. Kate sah auf. Ihr Blick fiel auf einen geradezu unverschämt gutaussehenden Mann, der ihr gegenübersaß, während die Frau das Gesicht Dexter zuwandte. Beide Frauen trugen Sonnenbrillen. Aus diesem Grund und weil Kate völlig in die Speisekarte vertieft war – sie tendierte zu der gegrillten Schweinshaxe mit Apfelsauce –, dauerte es eine geschlagene Minute, bis sie einander erkannten.
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    »Oh mein Gott!«
    »Julia!«, sagte Kate. »Was für eine Überraschung.«
    »Ah.« Dexter grinste Kate an. »Das ist die Frau aus Chicago, stimmt’s?«
    Kate verpasste ihm unter dem Tisch einen Tritt.
    Sie tranken etwas und beschlossen, am Abend gemeinsam essen zu gehen. Bestimmt gebe es im Hotel einen Babysitterservice, meinte Bill. Und er hatte recht. Kate sollte sehr schnell feststellen, dass Bill ein Mann war, der immer recht hatte.
    Sie ließen die Kinder zu Abend essen und kehrten dann ins Hotel zurück. Der Concierge versprach, dass um 22.00 Uhr ein Babysitter zur Verfügung stünde. Kate und Dexter brachten die Jungs zu Bett, in der Hoffnung, dass sie, falls sie aufwachten und Durst bekamen, zur Toilette mussten oder einen Albtraum haben sollten, keine Angst bekamen, wenn eine wildfremde Frau im Zimmer war, die noch dazu wahrscheinlich kein Wort Englisch sprach.
    Um halb elf verließ das leicht angetrunkene Quartett das Hotel und machte sich auf den Weg zu einem neuen schicken Restaurant, das Bill ausgesucht hatte. Es befand sich in einer ruhigen, scheinbar verwaisten Straße, doch drinnen herrschte Hochbetrieb. Es war eng und voll, die Gäste stießen mit den Knien an die Tischbeine, die Stühle standen dicht an der Wand, doch die Kellner schlängelten

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