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Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mawer
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»Bloß Yvette.«
    »Können wir nach oben? Bist du allein?«
    Yvette zuckt die Achseln. »Natürlich bin ich allein. Darum geht’s doch, oder? Wir sind alle allein.«
    »Jetzt bist du nicht mehr allein.«
    Die Frau steht da. Es ist nicht mal klar, ob sie die Situation abwägt. Dann zuckt sie mit den Schultern, als würde sie sich in das Unvermeidliche fügen, und geht weiter nach oben, gefolgt von Alice.
    Yvette hat ihre Wohnung gut ausgewählt: Es ist eine typische Pianistinnenwohnung ganz oben unterm Dach, mit schrägen Decken und Mansardenfenstern, an deren Dachvorsprüngen sich leicht eine Antenne anbringen lässt. Draußen vor den Fenstern kratzen und scharren Tauben auf den Dachpfannen. Wenn sie mit den Flügeln schlagen, klingt es wie klatschende Hände. In der Ferne kann Alice die Kuppeln von Sacré-Cœur sehen. Sie hat die Kirche einmal sehr gemocht, aber Clément fand sie scheußlich, weshalb sie ihr jetzt genauso vorkommt: scheußlich, ein weiß getünchtes Grabmal.
    »Ich wusste, die würden mich holen kommen«, sagt Yvette. »Ich hätte bloß nicht gedacht, dass sie dich schicken.« Sie macht Kaffee auf einem Petroleumkocher in einer Ecke des Zimmers, mit dem kostbaren Kaffee, den Alice mitgebracht hat. Ständig blickt sie sich um, nicht gezielt zu Alice, sondern einfach nur über die Schulter, wie ein Tier, das vor seinen natürlichen Feinden auf der Hut ist. Der Kaffeeduft vermischt sich mit dem Petroleumgestank.
    »Ich bin nicht gekommen, um dich zu holen, Yvette. Ich bin gekommen, um dir zu helfen.«
    »Ich brauche keine Hilfe.«
    »Du hast dich nicht mehr über Funk gemeldet. Sie haben gedacht, das Gerät ist vielleicht kaputt. Ich hab dir Kristalle mitgebracht …«
    »Ich brauch keine verdammten Kristalle. Ich brauch gar nichts.«
    »Was ist denn passiert, Yvette? Was ist mit deinem Ring passiert? CINÉASTE , richtig?«
    »Woher weißt du das?«
    »Von einem Funkspruch aus London.«
    »Die haben dich extra hergeschickt?«
    »Ich war schon im Land. Sie wussten nicht, was passiert war, als du nicht mehr gefunkt hast. Erzähl mir, was passiert ist, Yvette. Mit CINÉASTE .«
    »Der Ring ist aufgeflogen. Sie hatten sich alle in einem Café getroffen …«
    »Wir haben doch Anweisung, das nicht zu tun.«
    »Aber es kommt trotzdem vor, oder? So was machen Menschen nun mal, egal was sie uns in der Ausbildung beigebracht haben. Was wissen die denn schon? Jedenfalls, ich hatte mich verspätet. Ein Stromausfall oder so in der Métro. Deshalb war ich gerade noch rechtzeitig da, um …«
    »Um was?«
    »Um nicht geschnappt zu werden. Um zuschauen zu können. Die wussten Bescheid. Die Frisés , meine ich. Die wussten von dem Treffen. Irgendwer muss uns verraten haben. Ich hab alles mit angesehen, von der anderen Straßenseite aus. Es war ein Riesenaufgebot. Soldaten und Polizei. Die haben den Laden umzingelt und alle einkassiert und weggebracht.«
    »Was hast du gemacht?«
    Yvette bringt den Kaffee zum Tisch. »Ich bin untergetaucht. Was hätte ich sonst machen sollen?«
    »Und zu dir sind sie nicht gekommen?«
    »Nein. Weil sie diese Adresse noch nicht kannten. Ich bin erst vor Kurzem hier eingezogen. Du weißt ja, öfter umziehen, wie wir’s gelernt haben.«
    »Und woher kannte London diese Adresse?«
    Sie zuckt die Achseln, als ob solche Fragen belanglos wären. »Von meinem letzten Funkspruch, schätze ich. Ich dachte, die könnten mir helfen, deshalb hab ich ihnen das mit dem Ring erzählt und diese Adresse genannt, und erst danach ist mir klar geworden, dass sie rein gar nichts für mich tun können, dass ich auf mich allein gestellt bin, dass ich, was die angeht, ruhig bleiben kann, wo der Pfeffer wächst. Also hab ich den Funkkontakt gekappt. In der Stadt wimmelt es von Peilwagen. Wenn du länger als ein oder zwei Minuten funkst, können sie dich orten, und dann steckst du in der Scheiße.«
    »Kannst du nicht von woanders funken?«
    »Alle Schlupfwinkel sind aufgeflogen, oder? Die haben Emile geschnappt, wusstest du das?«
    »Emile?«
    »Er war erst eine Woche vorher angekommen. Eine Lysander …«
    »Aber als ich ihn zuletzt gesehen hab, war er für einen Absprung vorgesehen.«
    »Er hat sich geweigert zu springen. Im letzten Moment hat er sich geweigert, aus dem Flugzeug zu springen …«
    »Er hat sich geweigert? «
    »Sie mussten ihn wieder mit zurücknehmen, und beim nächsten Mal haben sie ihn dann mit einer Lysander am Boden abgesetzt.«
    »Das hat er dir erzählt? So was hätte er doch

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