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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot S. Baumann
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Bernhardines Beine hinauf. Sie bewegte ihre Zehen, die zu Eisklumpen erstarrt waren. Ihr graute vor dem Leichenschmaus, sie wollte lieber allein sein. In Désirées Kammer gehen, an ihren Kleidchen riechen und ihre Lieblingspuppe drücken. Vielleicht könnte sie dadurch ein Band mit ihrer Tochter knüpfen. Ein Band, das über den Tod hinausging.
    Sie wandte sich ab, als die Sargträger den kleinen Totenschrein, auf dem ein Tuch mit dem eingestickten Familienwappen prangte, in die Grube hinunterließen. Wieso sollte sie eine leere Kiste betrauern?
    »… aus der Erde sind wir genommen, zu Erde sollen wir wieder werden, Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub.« Der Pfarrer griff in eine Messingschale und warf eine Handvoll Sand ins Grab. »Ruhe in Frieden.«
    Bernhardine blickte auf das schlichte Kreuz mit Désirées eingebranntem Namen. Stechpalmenzweige und Efeu schmückten das Holz. Der Grabstein war beim Steinmetz bereits in Auftrag gegeben worden. In acht Wochen würde er geliefert werden. Einen Engel hatte sie sich für ihre Tochter gewünscht.
    »Wir sehen uns bald wieder«, flüsterte sie und schwor sich in diesem Moment, dass der Schuldige seine gerechte Strafe erhalten würde. Wenn nicht in diesem, dann in einem anderen Leben. Sie drehte sich um und stapfte durch den hohen Schnee aufs Schloss zu.

16
    Seengen, 2010
    J etzt geh schon endlich ans Telefon!«
    Anouk ging in ihrem Zimmer auf und ab und versuchte verzweifelt, Max zu erreichen. Sie sah auf ihre Armbanduhr. Viertel nach elf. Obwohl er gesagt hatte, dass es spät werden könnte, beschlich sie langsam ein ungutes Gefühl. Was, wenn er wegen des Bildes erneut in Gefahr geraten war? Zwar flogen nachts keine Krähen herum, aber vielleicht gab es ja auch aggressive Schleiereulen … oder Fledermäuse. Ihr schien im Moment alles möglich zu sein.
    Sie setzte sich aufs Bett und legte ihr Handy auf den Nachttisch. Sollte sie, um sich zu beruhigen, einen Schluck Amaretto trinken? Nein, sie wollte mit Max noch über diese Viktoria und über Rufli sprechen. Dazu brauchte sie einen klaren Kopf.
    Der Kurator wurde für sie immer mehr zu einer undurchsichtigen Figur. Wusste er etwas über die Zinnengängerin? Sollte sie ihm deren Porträt zeigen, in der Hoffnung, dadurch einen Schritt weiterzukommen? Schließlich war er eine Koryphäe, was die von Hallwyls anbelangte. Doch alles in ihr sträubte sich gegen diese Idee. Aber wieso? Bis jetzt hatte sich Rufli – vom Aussetzer des gestrigen Tages einmal abgesehen – doch ganz normal ihr gegenüber verhalten. Und was war mit Tatis Geschichte aus ihrer Jugendzeit? Ihre Großtante hatte leider schon geschlafen, als sie von der Theaterprobe zurückgekehrt war. Sie würde sie also erst morgen wieder darauf ansprechen können. Woher also diese Skepsis in Bezug auf Kurator Rufli? Max hätte es vermutlich weibliche Intuition genannt. Doch er hätte es nicht, wie die meisten Männer es gerne taten, mit diesem ironischen Unterton in der Stimme festgestellt. Er war ohnehin ein ganz besonderer Vertreter seiner Spezies.
    »Und deshalb habe ich mich auch in ihn verliebt«, seufzte Anouk. Sie lächelte still in sich hinein. Jetzt hatte sie es tatsächlich laut ausgesprochen, auch wenn es niemand gehört hatte. Am liebsten hätte sie Aimée angerufen und ihr von ihren Gefühlen für Max erzählt. Aber ihre Schwester schlief bestimmt schon und würde sich nur ängstigen, wenn sie um diese Uhrzeit anriefe. Und vielleicht war es auch besser abzuwarten, ob Max die gleichen Gefühle für sie hegte, bevor sie ihre ganze Familie informierte. Es wäre doch recht peinlich, wenn die Verliebtheit nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Doch ganz tief in ihrem Inneren wusste Anouk, dass es Max genauso ging wie ihr. Er brauchte vermutlich nur noch etwas mehr Zeit. Aber wo zum Teufel steckte der Kerl nur?
    Sie stand auf und öffnete das Fenster. Der Mond wurde von einer Wolkenbank verdeckt, hinter der er nur noch als gelbe Scheibe zu erahnen war. Die Luft, dick wie Erbsensuppe, roch nach Rosen und Verwesung. Über dem See zuckten Blitze. Der folgende Donner war so ohrenbetäubend, dass die Fensterscheiben vibrierten. Es konnte sich nur noch um Minuten handeln, bis das Unwetter mit voller Wucht losbrach. Hoffentlich kam Max bald.
    »Maman, vous êtes là?«
    Anouks Kopf schnellte herum. Die Schlafzimmertür war geschlossen. Ihr Handy lag dunkel und stumm auf dem Nachttisch. Ihr Magen verkrampfte sich. Sie hatte deutlich eine Kinderstimme

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