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Die Frau ohne Gesicht

Die Frau ohne Gesicht

Titel: Die Frau ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pekka Hiltunen
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Woche noch nicht mobilisieren. Die große Halle war aus anderen Gründen gemietet worden.
    Arthur Fried hatte vor einem Jahr eine neue Strategie verkündet. Die Partei hatte damals keinen Zuwachs gehabt und ihre Stellungnahmen waren von den Medien ignoriert worden. Deshalb hatte Fried sich eine ganz spezielle Taktik ausgedacht: Um schnell zu wachsen, würde die Fair Rule von nun an so auftreten wie die großen Parteien.
    Man hatte begonnen, sich zu allen Themen zu äußern, mit denen sich auch die großen Parteien befassten, und Fried hatte diese Kommentare sprachlich verschärft: Betrug, Bedrohung, Verbrechen, Vernichtung . Mit dieser Wortwahl forderte er die politischen Gegner heraus und ging auf Stimmenfang. Die Partei hielt ihre Veranstaltungen in immer größeren Sälen, vor immer größeren Kulissen ab. Die ganze Aufmerksamkeit der Medien wurde auf Arthur Fried gelenkt, damit die Partei ein Gesicht bekam, das schließlich im ganzen Land bekannt war.
    Das großspurige Auftreten lockte neue Anhänger an.
    Für die Anmietung der Streatham-Halle gab es auch einen praktischen Grund: Man hatte sie billig bekommen, weil der Schatzmeister der Partei den Marketingleiter der Halle kannte und ihm eingeredet hatte, die Veranstaltung führe der Halle neue Kunden zu.
    Lia vermutete, dass der Marketingchef sich wohl kaum diese Art von Publikum erträumt hatte: Arbeiter mit geringer Schulbildung, hauptsächlich Männer in der zweiten Lebenshälfte. Lia glaubte zu verstehen, weshalb sie hier waren. Fast das Einzige, was ihnen im Leben vollkommen freistand, war die Entscheidung, in welchen Pub sie ihr Geld trugen. Hier wurde ihnen das Gefühl gegeben, dass ihre Macht weiter reichte.
    Es war noch eine Viertelstunde bis zum Beginn der Veranstaltung. Lia schlüpfte in den schmalen Gang hinter dem Spielfeld, der zu den Garderoben und Lagerräumen führte.
    Vor einer der Garderobentüren herrschte Getümmel. Den Mann, der es ausgelöst hatte, kannte Lia von den Zeitungsfotos: Arthur Fried.
    Der Parteiführer wurde von zig Männern umringt, die ihn sprechen wollten. Fried schüttelte ihnen reihum die Hand. Er war geschickt, das musste Lia zugeben. Er hörte sich bei jedem die ersten Worte an, unterbrach ihn dann und antwortete kurz. Er klang resolut, machte aber keinerlei Zusagen.
    Einige Männer hatten ihrer Meinung nach geniale Ideen für eine Kampagne, von denen der Parteiführer erfahren musste. Andere sprachen zutiefst besorgt über vage Ängste wie die Ausbreitung des Islam in Europa. Und manche fühlten sich lediglich gedrängt, zu Fried zu sagen: Zeig’s ihnen, Arthur.
    Auch wenn Lia ihre Ideen in keiner Weise teilte, erkannte sie ihre Stimmung.
    Sie wollen, dass Fried in ihrem Namen der Welt eins in die Fresse haut.
    Als die Hintergrundmusik verstummte und der erste Redner angekündigt wurde, verabschiedete sich Arthur Fried von seinen Anhängern und verschwand in der Garderobe. Der Flur leerte sich schnell und die Männer eilten auf die Zuschauertribüne.
    Lia suchte sich einen Platz an der Seite, in der Nähe des Podiums.
    Der erste Redner des Abends war ein Mann um die sechzig, der sagte, er sei Lagerarbeiter und habe den Glauben an die Politik wiedergefunden, als er die Positionen von Fair Rule gelesen und Arthur Fried gehört hätte. Er wiederholte zentrale Ziele der Partei, wie »keine Sozialhilfe ohne Arbeitspflicht« oder »Schluss mit den Sonderrechten für Migranten«, und erntete lauten Applaus.
    Lia horchte nicht auf den Inhalt, sondern auf den Rhythmus der Rede. Sie wusste, nach welchem Schema der Abend ablaufen würde: Auf die ungeschulten Redner würden immer geschicktere folgen, bis schließlich Fried auftrat.
    In den Zeitungsartikeln über Arthur Fried war häufig davon die Rede, wie gut er sich darauf verstand, Menschen zu begeistern. Er berichtete, in jungen Jahren habe er versucht, alles andere zu werden, nur nicht Politiker. Er habe seinen Lebenszweck darin gesucht, Unternehmen zu leiten und Geld zu scheffeln. Aber mit der Zeit sei ihm klar geworden, dass seine Stärke darin lag, vor Menschen zu sprechen und Gefühle zu wecken. Das sei eine wichtige Erkenntnis für ihn gewesen, erklärte er. Er habe sofort gewusst, dass er auf diesem Gebiet erfolgreich sein würde. Und tatsächlich, als er diese Tatsache akzeptiert habe, sei es mit seiner Karriere aufwärtsgegangen.
    Nach einer Dreiviertelstunde und drei hölzernen Rednern fragte sich Lia, ob die Veranstaltung überhaupt noch in Fahrt kommen würde. Sie

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