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Die Frau ohne Gesicht

Die Frau ohne Gesicht

Titel: Die Frau ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pekka Hiltunen
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fand keinen anderen Grund für die Wahl dieser lahmen Sprecher als den, dass jeder von ihnen aus einem anderen Winkel Englands kam und einen bestimmten Teil des Landes vertrat.
    Dann betrat ein junger Mann in schwarzer Jacke das Podium und wurde als Andy Cargill, Vizevorsitzender der Future Rule, der Jugendorganisation der Partei, vorgestellt. Cargill griff zum Mikrofon. Er hatte eine aufrüttelnde Stimme.
    »Wir haben gesehen, was in Großbritannien nicht funktioniert. Wir wissen, was dagegen zu tun ist. Future Rule fragt: Worauf warten wir noch?«
    Bei Cargills Gebrüll sprangen die jungen Männer im Publikum auf.
    Lia betrachtete sie. Das gleichartige Aussehen wirkte geradezu erschreckend. Schwarz gekleidete Männer mit kurzen Haaren und glühenden Augen.
    Cargill und seine hitzköpfigen Kumpane hatten ihre besondere Rolle in der Show – sie sollten den Puls in die Höhe treiben. Sie konzentrierten sich auf ein einziges Thema: die Wiederherstellung der Privilegien der weißen Rasse.
    Das Wort »Rasse« verwendeten sie allerdings nicht. Lia wusste, dass die Parteiführung es verboten hatte, weil die Partei in der Öffentlichkeit sonst einmütig verurteilt worden wäre. Aber ihre Aussage war auch ohne das Tabuwort eindeutig.
    Cargills Auftritt begeisterte auch die Älteren im Publikum. In den letzten Minuten seiner Rede wiederholte er einen einzigen Slogan. Es war wie bei einem Rockkonzert, wo das Publikum seine Begeisterung herausschreit.
    » G ET B RITAIN B ACK ! «
    Das Publikum antwortete im Chor: » Get Britain back. «
    » WAS WOLLT IHR ?«
    » Get Britain back! «
    » PACKEN WIR ES AN ! G ET B RITAIN B ACK ! «
    Nach Cargills Rede hatte es den Anschein, als wären viele Zuhörer bereit, sofort in den Kampf zu ziehen. Doch es standen noch zwei Redner auf dem Programm.
    »Als Nächster spricht der Vorsitzende der Parteiabteilung Nord der Fair Rule, Simon Lord!«
    Lord behandelte dieselben Themen und erreichte fast dieselbe Lautstärke wie Cargill. Seine zentrale Aussage war, Großbritannien müsse aus allen internationalen Abkommen austreten, die die Zuwanderung aus armen Ländern erlaubten.
    Lords Rede machte Lia nervös. Seine Idee tauchte auch in den öffentlichen Verlautbarungen der Partei auf, als Traumbild von einer neuen Unabhängigkeit Großbritanniens. Die praktische Verwirklichung war unmöglich – doch darüber wollte Lia in diesem Kreis nicht diskutieren müssen.
    Sie sah auf die Uhr. Fast halb neun. Lord stimmte das Publikum auf den letzten Redner ein.
    »Wir haben einen Mann, der uns Großbritannien zurückgibt. Wer ist er?«
    »Arthur Fried!«, brüllten die Zuhörer.
    Lias Herz raste. Am liebsten hätte sie sich die Ohren zugehalten.
    Sobald Fried auf dem Podium erschien, sprangen alle auf, skandierten seinen Namen und hoben im Takt die rechte Faust.
    Lia beobachtete die erregte Menge.
    Das ist seine Stärke. Deshalb hält Mari ihn für gefährlich.
    Arthur Fried tat, als wolle er das Rufkonzert dämpfen, ließ es aber noch mehr als eine Minute andauern. Dann griff er zum Mikrofon und hob die Hand.
    Das Publikum verstummte.
    »Freunde«, begann Arthur Fried. »Freunde, ich danke euch für euer Vertrauen.«
    Fried sprach gut. Er verwendete kurze Sätze, setzte seine Gedanken durch kleine Pausen voneinander ab und gab dem Publikum Gelegenheit zu Zurufen, die die Stimmung aufheizten. Im ersten Teil seiner Rede schilderte er den Aufstieg der Partei. Umfrageergebnisse, Fernsehauftritte, Stellungnahmen, die in den Medien zitiert wurden. All das war schon oft gesagt worden, aber Fried schaffte es, den Anwesenden zu suggerieren, der Aufschwung sei ihrer aller Verdienst.
    Als Nächstes verkündete er eine kleine Neuigkeit. Damit hatte Lia gerechnet, es war die übliche Praxis bei Parteiversammlungen, ein Köder, um die Presse anzulocken.
    »Freunde, ich bin froh und stolz, euch mitteilen zu können, dass ich gerade mein Programm für eine neue britische Verteidigungspolitik fertiggestellt habe. Es wird in der nächsten Woche veröffentlicht. Dieses Programm ist unser Trumpf, wenn wir nächstes Jahr mit gewaltigem Stimmenanteil ins Parlament einziehen.«
    Die Einzelheiten sollten später veröffentlicht werden, doch seinen »Freunden« wollte Fried die wichtigsten Punkte schon vorab verkünden. Das Programm hieß »Große Welt« und sollte die Ehre und den Einfluss Großbritanniens wiederherstellen.
    »Wir fordern, dass Großbritannien nur mit den Ländern militärisch zusammenarbeitet, in denen man so

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