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Die Frau ohne Gesicht

Die Frau ohne Gesicht

Titel: Die Frau ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pekka Hiltunen
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Mittagessen wieder über Arthur Fried sprachen. »Deinen Namen oder andere persönliche Dinge solltest du ihnen lieber nicht verraten. Erzähl ihnen, dass du Grafikerin bist. Wenn sie mehr wissen wollen, wechselst du das Thema. Du kannst ihnen auch sagen, dein Freund hätte dich auf Fair Rule aufmerksam gemacht.«
    »Klingt gut«, erwiderte Lia. »Mein Freund ist Neonazi, ich interessiere mich nur für die Uniformen.«
    Mari lächelte, doch ihr Schmunzeln verflog sofort wieder.
    Das Parteibüro der Fair Rule war in drei Räumen in der Chapel Street in Epping untergebracht, in einer Gegend, in der die Büromieten für Londoner Verhältnisse billig waren. Lia hatte zuerst angerufen und sich vergewissert, dass Freiwillige für Büroarbeiten angenommen wurden.
    »Junge Frau, wenn Sie helfen wollen, nur zu!«, hatte der Mann am Telefon gesagt.
    Da Lia im Urlaub nicht früh aufstehen mochte, kam sie erst um elf Uhr in die Parteizentrale. Diese wirkte nicht wie das effektive Kommandozentrum einer großen politischen Bewegung. Eher sah es hier aus wie in einem schäbigen, veralteten Büro, in dem man versuchte, mit all dem fertigzuwerden, was durch die Tür, die Telefone und die Computer hereinflutete. Lia war kein einsamer Ankömmling, im Gegenteil: Sie musste Leuten ausweichen, die ein und aus gingen.
    Arthur Fried war nicht zu sehen, aber das hatte Lia auch nicht erwartet. Der Vorsitzende hatte anderes zu tun, als im Parteibüro zu sitzen.
    Sie stellte sich dem Mann vor, dessen Schreibtisch der Tür am nächsten war.
    »Hallo, ich bin Lia. Ich möchte als Freiwillige mitmachen.«
    »Prima, Lia. Was kannst du tun?«
    »Ich bin Grafikerin. Ich kann zum Beispiel Zeitungen gestalten …«
    »Dich schickt der Himmel«, fiel ihr der Mann ins Wort und zeigte auf den Nebenraum. »Da drin ist das Medienzentrum. Kaffee und Tee gibt’s dort drüben in der Ecke. Schön, dass du mithilfst, Großbritannien zurückzugewinnen.«
    Die Floskel ging ihm über die Lippen, als hätte er sie schon hundert Mal gesagt.
    Das Medienzentrum bestand aus zwei Schreibtischen, drei Monitoren und drei hektischen Menschen. Die beiden älteren Männer in Hemd und Jeans hießen Stephen und Simon. Der jüngere, Tim, ähnelte mit seinem Bürstenschnitt den jungen Männern in der Eishalle, war aber nicht schwarz gekleidet. Alle drei freuten sich, als sie hörten, dass Lia grafisches Design beherrschte.
    »Großartig«, sagte Tim, »ich habe mich bisher mit dem Layout herumgeschlagen, aber das Ergebnis war einigermaßen furchtbar. Aber wenn du das jetzt machst, kann ich mich ja aufs Schreiben konzentrieren.«
    Nach drei Stunden hatte Lia das Plakat und die Flugblätter für die nächste Veranstaltung der Fair Rule in London gestaltet, mit zwei Parteiaktivisten geplaudert, denen sie schon in der Eishalle begegnet war, und festgestellt, dass im Büro glücklicherweise niemand Zeit hatte, Brandreden über die Kontrolle der Einwanderer oder die Schließung der Grenzen zu halten. Die politischen Inhalte wurden in Sitzungen entwickelt, im Büroalltag kämpfte man nur darum, sie an die Öffentlichkeit zu bringen.
    »Ist Arthur Fried oft hier?«, fragte Lia.
    Stephen lächelte. Offenbar war die Frage typisch für Neulinge.
    »Fried kommt fast jeden Tag kurz ins Büro, wenn er in London ist«, erklärte er. »Meist schaut er abends nach seinen Auftritten und Sitzungen vorbei. Dann hält er sich eine Weile im Hinterzimmer auf, wo der Parteisekretär Tom Gallagher arbeitet.« Er schwieg einen Moment und fuhr dann fort: »Die beiden sagen immer, jeder darf reinkommen und reden, worüber er will, über Politik oder neue Ideen. Aber dazu hat ja keiner von uns Zeit. Trotzdem ist es gut, dass sie anwesend und ansprechbar sind.«
    Lia arbeitete bis sechs Uhr abends, aber Fried erschien nicht.
    »Du kommst doch wieder? Versprich es«, bat Stephen, als sie sich zum Aufbruch rüstete.
    »Doch, ja, das habe ich vor. An den Wochenenden würde es mir am besten passen.«
    »Dann komm doch morgen oder am Sonntag vorbei. Wir müssen das Material für drei Veranstaltungen fertig machen.«
    »Arbeitet ihr auch am Feiertag?«
    Stephen lachte auf.
    »Nur noch einhundertneun Tage bis zur Wahl. Da gibt es keinen Feiertag.«
    Am Samstagabend kehrte Lia in das Büro der Fair Rule zurück. Sie hatte im Internet gesehen, dass Arthur Fried in London war: Auf seinem Programm standen eine öffentliche Veranstaltung und ein Dreiparteiengespräch.
    Stephen freute sich über ihr Kommen, gab ihr die

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