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Die Frau ohne Gesicht

Die Frau ohne Gesicht

Titel: Die Frau ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pekka Hiltunen
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hatte innerhalb weniger Tage viele konkrete Erkenntnisse über die Partei gesammelt.
    »Willst du im Parteibüro weitermachen?«
    »Nur wenn es unbedingt nötig ist. Immer, wenn ich darüber nachdenke, was in diesen Flugblättern steht, packt mich die Wut.«
    »Verstehe ich. Allerdings wäre es schon gut, wenn du noch ein paar Mal hingehen würdest. Damit wir erfahren, was Gareth Nunn mit den anderen Problemen der Partei gemeint hat.«
    »Ich dachte eigentlich, das könntest du mit Maggie, Rico und den anderen herausfinden.«
    Lia hatte gehofft, an dem Fall der Lettin weiterarbeiten zu können.
    Mari hob die Augenbrauen.
    »Willst du etwa doch in die Nachtclubs gehen?«
    »Auf keinen Fall. Aber ich dachte, ich könnte die Läden aufsuchen, in denen Lebensmittel aus dem Baltikum verkauft werden. Da werden sie ja bestimmt niemand überfallen.«
    Mari schien zu überlegen.
    »Weißt du, ich glaube, wenn wir jetzt nicht weitermachen, bleibt der Fall ungelöst«, betonte Lia. »Die Polizei hat ja offenbar auch keine neuen Erkenntnisse.«
    Mari hielt ihr Handy hoch.
    »Ich bin immer in deiner Nähe.«
    »Ich weiß«, sagte Lia.

22.
    Im Slav Market in Ealing waberte ein Geruch, den Lia nicht kannte. Er war stark, aber nicht unangenehm. Süß und sauer, als hätte man Fleisch und Fisch und Gewürze gemahlen, vermischt und in Essig eingelegt.
    Sie musterte das Angebot in den Regalen und gleichzeitig die wenigen anderen Kunden, die sich an diesem Nachmittag in dem Lebensmittelladen aufhielten. Die meisten waren Frauen, teilweise auf den ersten Blick als Osteuropäerinnen zu erkennen. Der Ladenbesitzer, ein kleiner dunkelhaariger Mann, stammte offenbar ebenfalls aus diesem Teil der Welt.
    Lia nahm zwei Konservendosen – estnischen Sauerfisch und lettische Fischpaste – und sprach eine der Kundinnen an.
    »Entschuldigung, können Sie mir sagen, worin sich die beiden unterscheiden?«
    Die Angesprochene, eine ältere Frau, trug die Haare blond gefärbt.
    »Die estnische Dose enthält ganze Fische, sie sind stark gewürzt. Das andere ist eine Paste. Ziemlich mild.«
    »Danke. Sie kennen sich gut aus. Kommen Sie von dort?«
    »Ich bin aus Weißrussland. Aber ich wohne schon seit vielen Jahren hier.«
    Lia fasste sich ein Herz und rückte mit ihrer eigentlichen Frage heraus: »Kommen eigentlich viele Leute aus Lettland in diesen Laden?«
    Die Frau stutzte, aber Lia drang gleich weiter auf sie ein. »Kennen Sie vielleicht Letten in London?«
    Jetzt schüttelte sie den Kopf und eilte zur Kasse.
    Als Lia ihr dorthin folgte, musterte der Ladenbesitzer sie misstrauisch.
    Lia erwiderte seinen Blick und fragte forsch: »Ich suche eine Bekannte aus Lettland. Haben Sie lettische Kunden?«
    »Vielleicht. Ich weiß nicht«, erwiderte der Mann.
    »Es ist wichtig, dass ich Kontakt zu ihr bekomme. Können Sie mir helfen? Sie kennen doch sicher irgendwen aus Lettland, den ich fragen könnte.«
    »Ich kenne keinen«, erklärte der Kaufmann. »Das hier ist ein Lebensmittelladen und keine Post.«
    Er scheuchte sie weg.
    Das war zu plump , dachte Lia, als sie den Laden verließ. Beim nächsten Mal probiere ich eine andere Methode aus.
    Einige Straßen weiter befand sich ein Laden, der sich großspurig Miracle Gourmet nannte, aber noch kleiner war als der vorige. An der Kasse saß eine chinesisch aussehende Frau und las Zeitung.
    »Guten Tag, ich bin Lia Pajala. Ich studiere Marketing und mache eine Untersuchung über die Kunden ethnischer Läden und ihrer Konsumgewohnheiten. Darf ich Ihren Kunden ein paar Fragen stellen?«
    Die Kassiererin zuckte wortlos mit den Schultern.
    Lia zog den Fragebogen aus der Tasche, den sie im Studio entworfen hatte, und sah sich im Laden um. Ein asiatischer Mann, eine englisch aussehende Frau und eine zweite Frau, die sie nicht einordnen konnte, waren die einzigen Kunden.
    Sie wählte die letztere, stellte sich vor und wiederholte ihre Erklärung.
    »Suchen Sie Lebensmittel aus einem bestimmten Gebiet?«
    Die Frau gönnte ihr nur einen kurzen Blick.
    »Russische.«
    Dann schob sie den Fragebogen weg.
    »Ich möchte nicht teilnehmen.«
    Lia versuchte die andere Kundin anzusprechen, doch die sagte nur »Nein« und wandte ihr den Rücken zu.
    Was haben die Leute bloß?
    Lia musste sich zwingen, ruhig zu bleiben.
    Sie sind beim Einkauf. Vielleicht haben sie gute Gründe, nicht mit einer Wildfremden zu reden. Ich wirke zu aufdringlich.
    Lia ging zur Kassiererin und erkundigte sich nach den Mangokonserven auf dem Ladentisch

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