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Die Frau ohne Gesicht

Die Frau ohne Gesicht

Titel: Die Frau ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pekka Hiltunen
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war dunkel, und als sie die Bewegung vor sich sah, war es schon zu spät. Der Glatzkopf. Der stämmige Mann, vor dem Lia im Flash Forward weggelaufen und vor dem Herr Vong sie gerettet hatte. Er war kein Kartenjunge. Er war ein ausgewachsener Mann, über dessen Beruf sie lieber nichts wissen wollte. Und sie hatte nichts, womit sie sich verteidigen konnte. Als sie sich hektisch umblickte, sah sie, dass die Straße wie ausgestorben war.
    Der Mann kam direkt auf sie zu. Er war zu nah, sie konnte nicht weglaufen.
    Ohne nachzudenken, nahm Lia ihr Handy aus der Manteltasche, richtete es auf ihn und drückte auf den Auslöser der Kamera.
    Der Mann blieb ein paar Meter vor ihr stehen und starrte sie an.
    »Ich habe ein Foto von dir«, sagte Lia.
    Sie wunderte sich über ihre Stimme, die so hart klang, als hätte sie die Situation unter Kontrolle.
    »Und jetzt geht das Foto an meinen Freund«, fuhr sie fort und drückte mit übertriebener Geste auf eine Taste.
    Sie wusste nur zu gut, dass das Ganze ein Schwindel war. Handyfotos wurden nie scharf, schon gar nicht im Dunkeln. Und mit einem einzigen Knopfdruck konnte man kein Foto verschicken.
    Aber der Trick hatte den Mann dazu gebracht, kurz zu zögern.
    »Was suchst du hier? Sag mal, kenne ich dich nicht?«, herrschte er sie an.
    Er hatte den gleichen Akzent wie Elza.
    Der Mann hielt eine Hand in der Jackentasche, und Lia ahnte, was er dort verbarg.
    »Na los, was suchst du hier?«, wiederholte der Glatzkopf.
    Erzähl ihm eine Geschichte. Dieselbe wie im Flash Forward.
    »Ich suche meine Schwester, die vor langer Zeit nach Lettland gezogen ist. Sie soll in London sein, habe ich gehört.«
    Der Mann starrte sie an. »Du suchst eine Hure?«
    »Ich weiß nicht, was meine Schwester tut. Wir haben seit Jahren keinen Kontakt mehr.«
    Lia hörte, dass sich weit hinter ihr ein Auto näherte.
    Ich muss weiterreden. Egal was.
    »Hast du meine Schwester gesehen?«
    Der Mann lachte verächtlich auf. »Du kommst jetzt mit, dann unterhalten wir uns darüber.«
    Als er den ersten Schritt auf sie zumachte, schätzte Lia, dass das Auto nur noch etwa zehn Meter von ihr entfernt war. Sie drehte sich um und lief auf die Fahrbahn.
    Bremsen quietschten. Lia zwang sich weiterzulaufen. Der Kotflügel streifte sie am Bein, und sie spürte, dass der Wagen ins Schlingern kam. Dann war sie auf der anderen Straßenseite und rannte.
    Ein Blick nach hinten. Der Glatzkopf hatte dem Wagen ausweichen müssen und mehrere Sekunden verloren.
    Lia war noch nie so schnell gelaufen. Sie dachte nicht an die Glätte oder an mögliche Hindernisse. Ihr einziger Gedanke war: weg!
    Nachdem sie zwei Seitenstraßen überquert hatte, wagte sie es erneut, sich einen kurzen Moment umzublicken. Der Glatzkopf folgte ihr noch, war aber weiter zurückgefallen. Das gab ihr die Kraft, das Tempo noch weiter zu steigern. Dann endlich: Vor ihr strahlten die Lampen der U-Bahn-Station, und gleich daneben warteten zwei Taxen. Als sie in das erste sprang, sah sie, dass ihr Verfolger in gut hundert Meter Entfernung stehen geblieben war.
    Lia fuchtelte mit den Händen. Sie war so außer Atem, dass sie nicht sprechen konnte, aber der Fahrer begriff, ließ den Motor an und fuhr los. Als Lia endlich wieder Luft bekam, bat sie ihn, sie nach Bankside zu bringen, in die Park Street.
    Dort angekommen, zahlte sie, stieg aus, schloss die Haustür auf, betrat den Aufzug und drückte den Knopf für die oberste Etage. Die Tür glitt zu, und Lia atmete auf.
    In Sicherheit.
    Sie schloss die Augen. Es hatte etwas zu bedeuten, dass sie in äußerster Not ins Studio geflohen war.
    Mein zweites Zuhause. Ein seltsames Zuhause, in dem ich stärker werde als irgendwo sonst.
    Als sich die Aufzugtür öffnete, wurde ihr noch etwas anderes bewusst. Sie hatte keine Angst. Nachdem die Gefahr vorbei war, verspürte sie ein merkwürdig angenehmes Gefühl.
    So dürfte ich nicht empfinden. Ich war in Lebensgefahr. Aber ich fühle mich stark und in jeder Hinsicht verdammt gut.
    Lia ging direkt in Maris Zimmer und ließ sich auf eins der Sofas fallen. Dann sprudelten die Informationen nur noch so aus ihr heraus: Sie habe mit Elza sprechen können, kenne nun den Namen der ermordeten Lettin und wurde von dem Glatzkopf aus dem Club verfolgt.
    Mari setzte sich zu ihr und hörte wortlos zu. Lia zeigte ihr das undeutliche Foto auf ihrem Handy: Der Glatzkopf, wie er auf sie zukam.
    »Es war total verrückt. Aber es hat geklappt. Es hat geklappt«, wiederholte Lia.
    Sie

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