Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
verschafft der vegetabilischen Nahrung ein immer größeres Übergewicht. Die Fleischtransporte, die uns in der Gegenwart durch Raubwirtschaft aus fernen Ländern, insbesondere aus Südamerika und Australien zugehen, werden in wenigen Jahrzehnten ihr Ende erreichen. Andererseits wird Vieh nicht bloß des Fleisches wegen gezüchtet, sondern auch der Wolle, Haare, Borsten, Häute, Milch, Eier usw. wegen. Eine Menge Industrien und viele menschliche Bedürfnisse hängen davon ab. Auch werden eine Menge Abfälle aus der Industrie und Hauswirtschaft kaum nützlicher als durch Viehzucht verwendet. In Zukunft wird auch noch das Meer in höherem Maße als bisher seinen Reichtum an animalischen Nahrungsstoffen der Menschheit öffnen müssen. Es wird dann schwerlich noch vorkommen, daß wie heute bei reichlichem Fischfang ganze Ladungen als Dünger verwendet werden, weil die Transport- oder Konservierungseinrichtungen ihre Aufbewahrung nicht ermöglichen oder die hohen Transportkosten ihren Absatz verhindern. Und es ist sehr wahrscheinlich, daß mit der Aufhebung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land, wenn die Bevölkerung von den großen Städten auf das Land wandert, wenn die Arbeit in geschlossenen Fabrikräumen sich mit der landwirtschaftlichen verbindet, die Fleischkost wird wieder hinter der Pflanzenkost zurücktreten. Gewiß kann man den Mangel an Reizmitteln in der pflanzlichen Nahrung durch entsprechende und verständige Zubereitung unter Zuhilfenahme von Gewürzen wettmachen. Aber eine rein vegetarische Lebensweise ist für die künftige Gesellschaft weder wahrscheinlich noch notwendig.
3. Kommunistische Küche
Bei der Nahrung handelt es sich aber weit mehr um die Qualität als die Quantität, viel hilft nicht, wenn das Viele nicht gut ist. Die Qualität wird aber durch die Art und Weise der Zubereitung bedeutend verbessert. Nahrungszubereitung muß ebenso wissenschaftlich betrieben werden wie andere menschliche Tätigkeiten , soll sie möglichst vorteilhaft sein. Dazu gehört Wissen und Einrichtung . Daß unsere Frauen, welchen gegenwärtig die Nahrungszubereitung hauptsächlich zufällt, dieses Wissen oft nicht besitzen und nicht besitzen können, bedarf keines Beweises mehr. Die Technik der großen Küchen hat schon gegenwärtig eine Vollkommenheit erreicht, welche die aufs beste eingerichtete Familienküche nicht kennt. Insbesondere ist es die mit Elektrizität für Heizung und Beleuchtung eingerichtete Küche, die dem Ideal entspricht. Kein Rauch, keine Hitze, keine Dünste mehr; die Küche gleicht mehr einem Salon als einem Arbeitsraume, in dem alle möglichen technischen und maschinellen Einrichtungen vorhanden sind, welche die unangenehmsten und zeitraubendsten Arbeiten spielend erledigen. Da sind die elektrisch betriebenen Kartoffeln- und Obstschäler, die Entkernungsapparate, Würstestopfer, Speckpresser, Fleischhacker, Fleischröster, Bratapparate, Kaffee- und Gewürzmühlen, die Brotschneideapparate, Eiszerkleinerer, Korkzieher, Korkpresser und hundert andere Apparate und Maschinen, die einer verhältnismäßig kleinen Zahl Personen mit mäßiger Anstrengung ermöglichen, für Hunderte von Tischgästen die Speisen zu bereiten. Dasselbe ist mit den Spül- und Reinigungseinrichtungen der Fall.
Die Privatküche ist für Millionen Frauen eine der anstrengendsten, zeitraubendsten und verschwenderischsten Einrichtungen, bei der ihnen Gesundheit und gute Laune abhanden kommt und die ein Gegenstand der täglichen Sorge ist, namentlich wenn, wie bei den allermeisten Familien, die Mittel die knappsten sind. Die Beseitigung der Privatküche wird für ungezählte Frauen eine Erlösung sein. Die Privatküche ist eine ebenso rückständige und überwundene Einrichtung, wie die Werkstätte des Kleinmeisters, beide bedeuten die größte Unwirtschaftlichkeit, eine große Verschwendung an Zeit, Kraft, Heiz- und Beleuchtungsmaterial, Nahrungsstoffen usw.
Der Nährwert der Speisen wird durch ihre leichte Assimilierfähigkeit erhöht; diese ist entscheidend . Eine naturgemäße Nährweise aller kann also auch erst die neue Gesellschaft ermöglichen. Cato rühmt vom alten Rom, daß es bis zum sechsten Jahrhundert der Stadt (200 vor Christo) wohl Kenner der Heilkunde gab, aber es an Beschäftigung fehlte. Die Römer lebten so nüchtern und einfach, daß Krankheiten selten vorkamen und der Tod durch Altersschwäche die gewöhnliche Form des Todes war. Erst als Schlemmerei und Müßiggang, kurz, das
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