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Die Frau vom Leuchtturm - Roman

Titel: Die Frau vom Leuchtturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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gefegt hatte, war nichts zu sehen, nur der blasse Scheinwerferstrahl des Leuchtturms auf Maidenstone Island und dahinter das schwarze Meer.
    Ich kehrte in mein warmes, gemütliches Bett zurück, schaltete die Nachttischlampe aus und sah zum Fenster. Erneut erfüllte das weiche blaue Glühen der Fairy-Lampe den Raum, und ich lehnte mich in meine Kissen
zurück und versuchte zu begreifen, was ich da gerade gesehen hatte. Zu meinem eigenen großen Erstaunen fühlte ich mich nach dem unheimlichen Erlebnis eher euphorisch denn ängstlich. Denn falls mich meine Augen nicht getrogen hatten und ich nicht dabei war, den Verstand zu verlieren, dann hatte mir das betrübte Gespenst an meinem Fenster bewiesen, dass es ein Leben jenseits unserer irdischen Existenz gibt.
    In meinem bekümmerten Zustand war mir das in diesem Moment ein großer Trost, denn das hieß ja auch, dass Bobby noch irgendwo existieren konnte, in irgendeinem friedlichen Jenseits, das ich mir nur undeutlich vorstellen konnte. Und ich fühlte mich von einer überwältigenden Hoffnung erfüllt, meine verlorene Liebe und ich könnten irgendwann, irgendwie wieder vereint werden.
    Während diese tröstlichen Gedanken noch durch mein erschöpftes Hirn zirkulierten, fiel ich in einen tiefen, ruhigen Schlummer. Zum ersten Mal seit dem Tag, an dem der nervöse junge Mann von der Ölgesellschaft mit der Nachricht, dass mein Liebster nicht mehr war, mein Büro betreten hatte, schlief ich ohne Tabletten.
    Wieder träumte ich von Bobby und sah ihn, wie er an diesem allerersten Tag ausgesehen hatte, als das Sonnenlicht sein blondes Haar vergoldet hatte. Und ich stellte mir vor, das sanfte Gewicht seines muskulösen Körpers auf meinem zu spüren, wie in dem Moment, als wir uns zum ersten Mal geliebt hatten.

8. Kapitel
    Als ich aufwachte, fühlte ich mich besser als seit Monaten. Der Sturm war mit dem Westwind abgezogen, und nun stand die Herbstsonne wie ein messingfarbener Ball am Himmel und schien auf ein Meer weißer Schaumkronen. Ich sagte mir, dass ich aufstehen und mich darum kümmern sollte, den Rest meines Gepäcks aus dem Wagen zu holen und dann einen ordentlichen Vorrat an Nahrungsmitteln anzulegen.
    Aber stattdessen blieb ich noch eine Weile im Bett liegen, denn ich zögerte, mein warmes, gemütliches Refugium zu verlassen. Der Himmel draußen war hell und wolkenlos, aber ich wusste aus langer Erfahrung, dass an der kahlen Küste von Neu-England die Oktobersonne trügerisch ist. Draußen würde es frisch sein, und das ganze Haus war ausgekühlt und würde es bleiben, bis ich nach unten ging und die Bedienungsanleitung der neu eingebauten Zentralheizung enträtselte.
    Daher lag ich einfach da, schob das Unvermeidliche hinaus und dachte über mein seltsames Erlebnis der letzten Nacht nach. Ich erinnerte mich genau daran, dass ich aufgewacht war und die schöne junge Frau am Fenster gesehen hatte, aber im grellen Tageslicht war ich mir nicht mehr absolut sicher, ob sie nicht doch eine Gestalt aus meiner bewegten Traumwelt gewesen war.

    Schließlich, wandte meine praktische Seite ein, hatte ich einmal ein Bild desselben Mädchens in Tante Ellens Album gesehen. Daher war es durchaus denkbar, dass mein aufgewühlter Geist dieses melancholische Gesicht auf eine eingebildete Gestalt in den Schatten meines Zimmers projiziert hatte.
    Das zumindest wäre sicherlich die Erklärung meiner Therapeutin Laura für das seltsame Erlebnis gewesen.
    »Ach, zur Hölle mit Laura«, murrte mein romantisches Ich laut, als ich endlich die Decken zurückschlug und aufstand, um mich dem neuen Tag zu stellen. »Sie ist mein Geist, und ich habe vor, sie zu behalten.«
    Ich zuckte zusammen und sah mich um, als ein plötzlicher Windstoß durch die Regenrinnen unter dem Dach des Türmchens fuhr und wie ein Frauenlachen klang. Ein winziger Schauer lief mir das Rückgrat hinunter, als ich über die verblüffende Möglichkeit nachdachte, dass die traurige Erscheinung vielleicht wirklich dort am Fenster gestanden hatte.
    Mit diesem tröstlichen Gedanken im Kopf dachte ich kurz darüber nach, sofort auf den Dachboden zu steigen, die alten Alben auszugraben und zu versuchen, die wahre Identität meiner nächtlichen Besucherin aufzudecken. Doch dann übernahm mein praktisches Ich erneut die Kontrolle und wandte ein, wenn ich mich jemals von meinem Verlust erholen wolle, wäre es vielleicht nicht der beste Anfang, mich in Geistergeschichten zu vertiefen.
    Also schrieb ich meine Vision von dem

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