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Die Frau von dreißig Jahren (German Edition)

Die Frau von dreißig Jahren (German Edition)

Titel: Die Frau von dreißig Jahren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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sollte vollkommen werden. Kaum waren die beiden Frauen vom Tisch aufgestanden, als der Kammerdiener Victors plötzlich anlangte. Fr war in fliegender Eile auf Umwegen von Bourges hergekommen und brachte der Comtesse einen Brief ihres Mannes. Victor, der den Kaiser verlassen hatte, zeigte seiner Frau den Sturz des Kaiserreichs und die Einnahme von Paris an und berichtete von dem Enthusiasmus, der in allen Teilen Frankreichs zugunsten der Bourbonen ausgebrochen war. Doch da es schwer sein werde, bis Tours vorzudringen, bat er sie, schleunigst nach Orléans zu kommen, wo er hoffte mit Pässen für sie versehen zur Stelle zu sein. Der Diener, ein alter Soldat, sollte Julie von Tours nach Orléans begleiten, welche Strecke Victor noch für passierbar hielt.
    »Madame, Sie haben keinen Augenblick zu verlieren«, sagte der Alte, »die Preußen, die Österreicher und die Engländer werden sich in Blois oder Orléans zusammenziehen ...«
    In wenigen Stunden war die junge Frau bereit und machte sich in einem alten Reisewagen, den ihr die Tante lieh, auf den Weg. »Könnten Sie nicht mit uns nach Paris kommen?« fragte sie, als sie sich von der Marquise verabschiedete; »jetzt, wo die Bourbonen wieder die Herrschaft erlangen, fänden Sie ...« – »Ich würde auch ohne diese unverhoffte Rückkehr hingegangen sein, meine Liebe, denn mein Beistand ist Ihnen und Victor sehr nötig. Ich werde alle Vorbereitungen treffen, um Ihnen nachzufolgen.«
    Julie reiste in Gesellschaft ihrer Kammerfrau und des alten Soldaten, der an der Seite des Wagens einherritt, um über die Sicherheit seiner Herrin zu wachen. In der Nacht, als man kurz vor Blois in einer Poststation angekommen war, hatte Julie, die in Unruhe darüber war, daß sie einen Wagen hinter dem ihrigen hatte herfahren hören, der ihr von Amboise aus gefolgt war, aus dem Wagenfenster gesehen, um sich zu überzeugen, wer ihre Reisegefährten seien. Beim Scheine des Mondes sah sie, drei Schritte von sich entfernt, Arthur stehen, der die Augen auf ihren Wagen geheftet hielt. Ihre Blicke begegneten sich. Die Comtesse warf sich mit einer heftigen Bewegung, aber mit einem Gefühl von Angst, das sie zittern ließ, in ihren Wagen zurück. Wie die meisten jungen Frauen, die wahrhaft unschuldig und ohne Erfahrung sind, erblickte sie in der Liebe, die man einem Manne unwillkürlich einflößt, eine Schuld. Sie empfand ein instinktives Entsetzen, das vielleicht von dem Bewußtsein ihrer Schwäche gegenüber einem so kühnen Angriff herrührte. Die furchtbare Macht, eine Frau, deren Phantasie von Natur erregbar ist und vor einer Verfolgung zurückschreckt, so mit seiner Person zu beschäftigen, ist eine der stärksten Waffen des Mannes. Die Comtesse besann sich auf den Rat ihrer Tante und beschloß, während der Reise im Innern ihres Wagens zu bleiben und ihn nie zu verlassen. Aber an jeder Poststation hörte sie den Engländer um die beiden Wagen herumgehen; unterwegs klang dann wieder das lästige Geräusch seiner Kalesche unaufhörlich in Julies Ohren. Die junge Frau dachte, daß, wenn sie erst wieder bei ihrem Manne sein würde, dieser die eigentümliche Verfolgung schon von ihr abwehren würde.
    »Wenn mich nun aber dieser junge Mann nicht liebte?«
    Diese Betrachtung war die letzte, die sie machte. Als sie in Orléans ankam, wurde ihre Postchaise von den Preußen angehalten, in den Hof einer Herberge gebracht und von Soldaten bewacht. Widerstand war unmöglich. Die Fremden erklärten den drei Reisenden durch gebieterische Zeichen, daß sie den Befehl erhalten hätten, niemand aus dem Wagen herauszulassen. Die Comtesse blieb weinend ungefähr zwei Stunden als Gefangene in dem Wagen, der von den rauchenden, lachenden Soldaten, die sie ab und zu mit zudringlicher Neugier betrachteten, umringt war; doch schließlich hörte sie das Geräusch von Pferdehufen und sah, wie sich die Soldaten respektvoll vom Wagen entfernten. Gleich darauf umringte eine Anzahl ausländischer höherer Offiziere, an deren Spitze ein österreichischer General, die Kutsche.
    »Madame«, sagte der General, »nehmen Sie unsere Entschuldigung entgegen, es war ein Irrtum; Sie können unbehelligt Ihre Reise fortsetzen, und hier ist ein Paß, der Ihnen weitere Belästigungen ersparen wird ...«
    Die Comtesse nahm das Papier zitternd entgegen und stammelte verlegene Worte. Sie erblickte neben dem General in englischer Offiziersuniform Arthur, dem sie offenbar ihre rasche Befreiung zu verdanken hatte. Erfreut und traurig

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