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Die Frau von dreißig Jahren (German Edition)

Die Frau von dreißig Jahren (German Edition)

Titel: Die Frau von dreißig Jahren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Vergangenheit getroffen? Für mich ist der Tag voller Finsternis, das Denken ein Schwert, mein Herz eine Wunde, mein Kind eine Verneinung. Ja, wenn Hélène zu mir spricht, möchte ich, sie hätte eine andere Stimme; wenn sie mich ansieht, möchte ich, sie hätte andere Augen. Sie ist nur da, um mir vor Augen zu halten, was sein sollte und was nicht ist. Sie ist mir unerträglich! Ich lächle sie an, ich suche sie für die Empfindungen, die ich ihr raube, zu entschädigen. Ich leide! Oh, Monsieur, ich leide zu sehr, um weiterleben zu können! Und ich werde für eine tugendhafte Frau gelten! Ich habe keinen Fehltritt begangen! Man wird mich ehren! Ich habe die unfreiwillige Liebe, der ich nicht nachgeben durfte, bekämpft; aber wenn ich körperlich treu geblieben bin, habe ich mein Herz gewahrt? Das hier« – damit legte sie die Hand auf die Brust – »hat nur einem einzigen Menschen gehört. Mein Kind täuscht sich auch nicht darüber. Mütter haben Blicke, eine Stimme, Gebärden, deren Gewalt die Kinderseele formt; meine arme Kleine aber fühlt nicht, wie mein Arm bebt, wie meine Stimme zittert, wie meine Augen glänzen, wenn ich sie ansehe, wenn ich zu ihr spreche oder wenn ich sie aufnehme. Sie wirft mir anklagende Blicke zu, die ich nicht aushalte! Manchmal erzittere ich vor Furcht, in ihr ein Gericht zu finden, das mich verurteilt, ohne mich zu hören. Gebe der Himmel, daß sich nicht eines Tages der Haß zwischen uns stellt! Großer Gott, öffne mir vorher mein Grab! Laß mich in Saint-Lange sterben! Ich will in jene Welt gehen, wo ich meine zweite Seele treffe, wo ich völlig Mutter sein kann! Verzeihen Sie, Monsieur, ich bin wahnsinnig. Ich wäre an diesen Worten erstickt, wenn ich sie nicht gesprochen hätte. Ah, Sie weinen auch! Sie verachten mich nicht. – Hélène! Hélène! mein Kind, komm!« rief sie verzweifelt, als sie das Mädchen vom Spaziergang zurückkehren hörte.
    Die Kleine kam lachend und plappernd herein; sie trug einen Schmetterling in der Hand, den sie gefangen hatte; aber als sie ihre Mutter in Tränen sah, wurde sie still, blieb bei ihr stehen und ließ sich auf die Stirne küssen.
    »Sie wird sehr schön werden«, sagte der Priester. »Sie ist ganz ihr Vater«, erwiderte die Marquise. Sie umarmte das Kind stürmisch, als gelte es, eine Schuld einzulösen oder einen Gewissensbiß abzuwehren. »Du bist heiß, Mama.« – »Geh nun, laß uns, mein Engel«, antwortete die Marquise.
    Das Kind ging unbekümmert hinaus; es sah seine Mutter nicht an und schien fast glücklich, ihr vergrämtes Gesicht nicht mehr zu sehen; es verstand schon, daß die Gefühle, die auf ihm geschrieben standen, ihm feindselig waren. Das Lächeln ist die Mitgift, es ist die Sprache und der Ausdruck der Mutterschaft. Die Marquise konnte nicht lächeln. Sie wurde rot und sah den Priester an: sie hatte gehofft, sich als Mutter zeigen zu können, aber weder sie noch ihr Kind verstanden sich aufs Lügen. Die Küsse einer aufrichtigen Frau bergen wirklich einen göttlichen Honig in sich, der in diese Liebkosung eine Seele, ein zartes Feuer bringt, das bis ins Herz dringt. Küsse, denen diese köstliche Weihe fehlt, sind herb und trocken. Der Priester fühlte diesen Unterschied wohl: er konnte den Abgrund ermessen, der sich zwischen der fleischlichen und der seelischen Mutterschaft auftut. Nach einem durchdringenden Blick auf die Frau vor ihm sagte er schließlich: »Sie haben recht, Madame, für Sie wäre es besser, Sie wären tot...« – »Ah! Sie verstehen meine Leiden, ich sehe es«, antwortete sie, »da Sie, ein christlicher Priester, die unheilvollen Entschlüsse, zu denen sie mich gebracht haben, erraten und billigen. Ja denn, ich habe mich töten wollen; aber der Mut hat mir gefehlt, mein Vorhaben auszuführen. Mein Körper war feig, wenn meine Seele mutig war, und wenn mir die Hand nicht zitterte, erbebte die Seele! Ich weiß nicht, welches Geheimnis hinter diesem Schwanken und Kämpfen liegt. Ich bin wohl ganz einfach ein elendes Weib, habe keinen festen Willen und hätte nur in der Liebe stark sein können. Ich verachte mich! Am Abend, wenn meine Leute schliefen, ging ich tapfer an den Teich; aber wenn ich am Ufer stand, schauderte meiner schwachen Natur vor der Vernichtung. Ich gestehe Ihnen, wie schwach ich bin. Wenn ich wieder im Bett war, schämte ich mich vor mir und wurde wieder mutig. In einem solchen Augenblick habe ich Laudanum genommen; ich habe schreckliche Qualen ausgestanden, aber ich bin nicht

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