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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Muellner
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am
nächsten Morgen zu sich kam. Schmerzend machte sich ihr Rücken bemerkbar. Kurz
darauf ihr Gesäß. Unbequem saß sie noch immer auf dem Sessel, auf dem Platz zu
nehmen sie gezwungen worden war. Weder Arme und Beine konnte sie bewegen, noch
ihrem Mund ein Wort entlocken; nur ihre angstgeweiteten Augen stellten Fragen
und Fragen und Fragen: Warum macht ihr das? Wer seid ihr? Was wollt ihr?
    Sie verspürte das dringende Bedürfnis ihre Blase, endlich
von den Überbleibseln des nächtlichen Alkoholkonsums zu befreien. Stöhnend
versuchte sie sich aufzurichten, doch eine Angst tief in ihr ließ sie wieder
zurücksinken.
    Ein Mann erschien und stellte sich direkt vor die gleißenden
Fenster, so dass sie nur seinen Umriss erkennen konnte. »Freut mich, dass Sie
endlich aufgewacht sind. Ich dachte schon, wir hätten die Dosis des Narkotikums
in Ihrem Knebel zu hoch angesetzt, als wir es für sechzig Kilo ausgelegt
hatten, aber wie ich sehe, lagen wir damit goldrichtig«, sagte die mechanische
Stimme in neutralem Ton.
    »Hmm…« Karen zerrte an ihren Stahlfesseln und schoss wütende
Blicke auf das von einem Lichthof umgebene Schattenbild ab. Goldrichtig!? Eine
Zumutung. Goldrichtig traut sich dieser ungebildete Pharisäer zu behaupten,
zürnte sie und in Ermangelung einer anderen Art der Artikulation trat eine Ader
– blau und pulsierend – an ihrer Stirn hervor. Am liebsten hätte sie zu heulen
begonnen und sich hinter dem Vorhang ihres Haares versteckt. Wollte er sie
demütigen, erniedrigen, ihren Willen brechen und das auf so brutale Weise?
    Es gab vermutlich nicht viele Menschen auf diesem Planeten –
trotz der mittlerweile fast zwölf Milliarden –, die auch nur annähernd so
sportlich waren wie sie. Das Resultat war ein muskulöser, wohlgeformter Körper,
mit seinen ein Meter vierundsechzig vielleicht nicht gerade groß, der allerdings
kein überschüssiges Gramm Fett aufwies. Und sie hatte – der unsympathische Typ
konnte ewig dankbar sein, dass sie sich nicht rühren konnte – siebenundfünfzig
Kilo, zum Teufel, und keine verdammten sechzig. Die Galle hätte sie ihm ins
Gesicht gespuckt, hätte sie nicht der Knebel daran gehindert.
    »Ich nehme Ihnen jetzt den Knebel ab, also machen Sie bitte keinen
Krach.« Langsam trat er auf sie zu. Sie blickte unablässig in sein Gesicht,
wartete darauf, es mögen sich menschliche Züge darin materialisieren, doch es
blieb unpersönlich und dunkel. Als er mit zwei Fingern den Knebel berührte,
schrumpfte dieser sofort auf die Größe der Pille zusammen. Sie spuckte diese
aus und mit einer Reaktion, die wohl den Rekord in diesem Spiralarm der Galaxis
darstellte, fing seine linke Hand diese auf, bevor sie auf den Boden fallen
konnte. Sie wollte ihn anschreien, ihn fragen, was das alles sollte, doch sie
konnte ihn nur fassungslos anstarren. War ein Mensch überhaupt zu so einer
Reaktion fähig? Womöglich war es gar keiner? Vielleicht eine dieser neumodischen
künstlichen Intelligenzen in einem menschenähnlichen Körper?
    »Wer sind Sie«, fragte sie und war selbst überrascht, nicht einmal
mehr den kleinsten Hinweis von Angst in ihrer Stimme wahrzunehmen. Nur noch unauslöschliche
Wut brannte darin.
    »Ich bin Eric-173«, sagte der Mann.
    Also doch, geisterte es ihr durch den Kopf. Das war
natürlich schlecht für sie. Denkbar schlecht. Bei einem Künstlichen hatte sie
keine Chance ihre körperlichen Vorzüge zu ihren Gunsten einzusetzen; und auf
Mitleid brauchte sie auch nicht zu hoffen. Diese Maschinen, denn mehr waren sie
nicht, auch wenn sie Namen besaßen, um ihnen etwas von der synthetischen,
objektiven Kälte zu nehmen, waren programmiert mit hunderttausend Ersatz- und
Notfallroutinen, und würden keinen Nanometer von ihrem Auftrag abweichen, bevor
dieser nicht auf Punkt und Komma erledigt war, egal wie lange es dauern sollte,
oder wie viel Schmerzen sie dafür einem Menschen zufügen mussten. Übelkeit
stieg in ihr auf. Was war sein Auftrag bei ihr? Wie weit würde er gehen? Würde er
ihr Schmerzen zufügen? Womöglich mehr als sie ertragen konnte? Würde er sie
foltern, bis sie das Bewusstsein verlor? Sie konnte es fühlen, wie das Blut aus
ihrem Gesicht wich. Auf eine gewisse Art waren es Beamte. Beamte, deren Befugnis
sehr, sehr weit reichte; wenn es sein musste, auch weit über die Grenzen eines
Menschlebens hinaus. Ihre Eingeweide zogen sich konvulsivisch zusammen und
verstärkten den Druck auf ihre Blase. »Ich muss auf die Toilette«, sagte sie.
    »Kein

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