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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Muellner
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Problem«, meinte der Beamte. Er bückte sich, öffnete
die metallenen Bänder, die ihre Beine fixierten. Langsam stand sie auf, machte
ein paar bedächtige Schritte, um ihren Kreislauf nicht überzustrapazieren. Auch
wollte sie ihren Kidnapper nicht provozieren. Vermutlich hätte sie selbst ohne
das Dröhnen und Hämmern in ihrem Schädel und das Puddinggefühl in ihren Knien
nicht die geringste Chance auf eine Flucht gehabt. Sie ging auf ihn zu, wandte
ihm ihren Rücken zu und hielt ihm ihre gefesselten Arme unter seine
nichtvorhandene Nase.
    »Tut mir leid«, sagte die sterile Stimme ohne jede Emotion,
»aber das sieht mein Auftrag nicht vor. Wenn Sie Hilfe benötigen, kann Ihnen
gerne meine Kollegin Alex-028 weiterhelfen.«
    »Nein Danke«, sagte Karen resigniert und blies mit
vorgeschobener Unterlippe den Atem auf ihre Stirn, »das ist wirklich nicht
nötig.« Langsam schlurfte sie durch den Wohnraum, dann den kurzen Gang entlang
auf die Toilette. In der Prioritätenliste des Ausbildungsprogramms von Astronautinnen
rangierte dieser Punkt nicht gerade unter den Top Ten, dass sie gelernt hätte, mit
auf den Rücken gefesselten Händen das stille Örtchen aufzusuchen. Was jedoch
ganz oben auf jener Liste stand, war die astronautische Tatsache, dass das
Adjektiv ›unmöglich‹ in diesem Beruf nicht existierte; in der Gegenwart nicht,
in der Zukunft schon gar nicht und auch in der Vergangenheit konnte sie sich nicht
daran erinnern, dass es ihr schon einmal begegnet wäre.
    »Was haben Sie vor mit mir?«, sagte sie, als sie in den
Wohnraum zurückkam.
    »Ich werde Sie wieder am Sessel fixieren«, sagte die Stimme
gleichgültig.
    »Nein, das war nicht meine Frage. Ich meine, wie lange
werden Sie mich hier festhalten?«
    »Das könnte ich Ihnen auf die Sekunde genau sagen, doch mein
Auftrag sieht nicht vor, dass ich Sie darüber in Kenntnis setze.«
    Gut, das war beinahe klar, dachte sie. Ein anderer der zwölf
Milliarden Menschen hätte sich vielleicht verplappert oder ich hätte ihn anflehen
können, bis er sich erweichen hätte lassen oder Mitleid bekommen hätte … Ihr
Vater hatte einmal erzählt, dass er noch vor ihrer Geburt einem Londoner Beamten
eine nicht ganz unerhebliche Summe angeboten hatte, damit er und ihre Mutter,
damals im dritten Monat schwanger, eine größere Wohnung zugewiesen bekämen.
Letztendlich war er auf die Kulanz des Beamten angewiesen gewesen, der sich
nicht bestechen hatte lassen und von einer Anzeige Abstand genommen hatte, denn
Bestechung war damals strafbar gewesen. Vermutlich war es nichts weiter als ein
Klischee, dachte sie, dass Beamte bestechlich waren. Warum nur treffen
Klischees nie zu, wenn man einen persönlichen Vorteil daraus ziehen konnte? »Gibt
es irgendeine Information, die Sie mir nennen dürfen«, fragte Karen.
    »Ich darf Ihnen nur soviel sagen, dass Sie nicht in Gefahr
sind, sofern Sie sich nicht selbst in eine solche bringen und dass wir Ihnen
nichts antun werden, sofern Sie unseren Wünschen und Aufforderungen Folge
leisten.«
    »Und wie, wenn ich fragen darf, verehrter Herr Eric-137, sehen
Ihre Wünsche und Aufforderungen aus?«, wollte Karen wissen und konnte dabei
eine gewisse Gereiztheit in ihrer Stimme nicht verbergen. Aber was sollte sie
sich um die Gefühle eines Künstlichen kümmern, der ohnehin nicht in der Lage war,
diese feinen Nuancen aus ihrer Stimme herauszufiltern.
    »Es besteht keinerlei Grund für Sie, so gereizt zu sein«,
sagte Eric so neutral wie alles, was aus seinem zu einem schmalen Spalt verengten
Mund zu kommen schien. »Fürs Erste setzen Sie sich wieder hin, oder möchten Sie
lieber liegen? – Im Übrigen ist mein Name Eric-173.«
    Karen war überrascht von soviel Flexibilität. Ihre Beine,
ihr Rücken und ihre Schultern schmerzten und sie wusste nicht, wie lange das
noch gehen sollte. »Ich möchte mich gerne auf die Couch legen«, sagte sie und
ging nur in Strümpfen auf diese zu, ohne seine Antwort abzuwarten. Sie setzte
sich, und Eric-173 schlang das kalte Metall um ihre Beine, das sich sofort zusammenzog.
    Plötzlich trat eine hochgewachsene weibliche Erscheinung aus
dem Gang, der vom Wohnraum in die Küche führte. Sie trug einen Becher in der
Hand und steuerte geradewegs auf Karen zu. Bei jedem Schritt wogten ihre Hüften,
die braunen Locken schmeichelten ihrem Kopf und eine Wolke aus Östrogen schien der
gesichtslosen Schönheit wie ein unsichtbarer Schatten zu folgen. Ihre Brüste
hätten jede Gewinnerin des Miss Universum

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