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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Muellner
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Arztes, die die Crew kannte, sagte er: »Was ich ihr verabreicht
habe, war ein starkes Beruhigungsmittel. Die Flasche habe ich mit dem Jolly-Roger
versehen, als Warnung, den Inhalt auf keinen Fall überzudosieren und …« Es
entstand eine verlegene Pause. »… weil ich es damals witzig fand.« Er blickte
in die Runde. Skepsis und Unsicherheit stand in den Gesichtern der anderen zu
lesen. »Ihr könnt mir ruhig glauben. Karen wird je nach ihrem Erschöpfungszustand
nun sechs bis acht Stunden schlafen. Dann wacht sie wieder auf.« Er sah in
Nancys Gesicht. »Ganz sicher!«
    »Was ist denn noch sicher? Nach allem, was geschehen ist.«
    »Geben wir ihm eine Chance«, sagte Catherine, »wenn Karen
nach acht Stunden nicht wieder aufgewacht ist, knüpfen wir unseren Doc an der
nächsten Rah auf oder lassen ihn über die Planke springen. So einfach ist das.«
    »Geben wir ihm eine Chance«, meinte auch Umberto, der sich
noch immer das Gesicht hielt.
    »Ich habe meine Ordination jetzt draußen«, und Lamin wies mit
seinem linken kleinen Finger auf den runden Tisch auf dem Crew-Deck. Sein
linker kleiner Finger, dachte er amüsiert, war das einzige, das ihn in diesem
Augenblick nicht schmerzte.
    Er verarztete Abschürfungen, Prellungen und Verstauchungen
und teilte kleine Tuben mit heilenden Salben sowie unscheinbare Worte mit aufmunternder
Wirkung aus. Nur Umbertos Platzwunde oberhalb seines rechten Auges musste er
nähen. »Als neuer Kommandant siehst du noch etwas angeschlagen aus, aber das
wird bald wieder.«
    Umberto versuchte ein Grinsen aufzusetzen, doch die
Schmerzen in seinem Gesicht entschieden anders.
    Im Anschluss ging Lamin zu Karen, desinfizierte ihre Wunden
an Händen und Füßen und verband diese sorgfältig.
    Müde und ausgelaugt und fertig fühlte
er sich, als er in seine Kammer ging um sich einen Augenblick auf das Bett zu
legen. Er sah auf die Uhr. In frühestens drei Stunden würde sie wieder zu
Bewusstsein kommen, falls seine Berechnungen bezüglich des Beruhigungsmittels
richtig gewesen waren. Doch wie sollte es mit Karen weitergehen? Wie sollten er
und die anderen mit ihr umgehen? Wie konnten sie die Gefahr, die Karen mittlerweile
für alle darstellte, minimieren? Die Fragen quälten ihn und ließen ihn nicht
zur Ruhe kommen. Auch konnte er nicht mit Sicherheit sagen, ob die Arbeiter,
die auf Atlantica 3 die Vorräte an Bord gestaut hatten, auch den Teil der medizinischen
Ausrüstung, deren Priorität nicht kritisch für die Mission war, zur Gänze
untergebracht hatten. Er stand auf, kletterte nach unten, auf das Deck, in dem
sich auch die Luftschleuse befand. Gar nicht lange brauchte er, um in dem Depot
fündig zu werden. »Na bitte. Hier ist er ja. MD-829.« Der kleine Koffer mit
seiner Packnummer befand sich genau an der Stelle, an der er sein sollte.
Zurück in Karens Kabine begann er ihr die Jacke anzuziehen, schloss die Riemen
am Rücken sorgfältig, band dann die Unterarme zusammen und befestigte die losen
Enden der überlangen Ärmel ebenfalls auf dem Rücken. Dann zog er noch den
breiten Gurt zwischen ihren Beinen hindurch und fixierte ihn sicher auf der
Rückseite, damit sie die Jacke bei ihrem nächsten Anfall aus Adrenalin und
Energie nicht abstreifen konnte. Um ihre Fußknöchel befestigte er zwei
Manschetten, zusätzlich noch zwei an ihren Oberschenkeln, mit denen er sie an
ihrem Bettrahmen fixierte. Skeptisch betrachtete er seine Arbeit. Angesichts
der Kraft, die er bei ihrem letzten Ausbruch erlebt hatte, erschienen ihm die
massiven und schweren Riemen nichts als filigranes Spielzeug zu sein. Dann ging
er in seine Koje und legte sich hin.
    Energisch und aggressiv hämmerte es an seiner Tür. »Karen?«,
rief er und schreckte verstört aus seinem Schlaf hoch.
    »Nein! Ich bin es. Catherine!«
    Lamin sah auf die Uhr. Etwas über acht Stunden waren seit
seiner ›Behandlung‹ der Kommandantin vergangen.
    »Komm raus!«, schrillte Catherines Stimme vor der Tür. »Sei
ein Mann und stell dich freiwillig.«
    Unendlich langsam, als hätte der Mars die dreifache
Gravitation der Erde, erhob er sich aus dem Bett und schlurfte zur Tür. Als er
diese einen Spalt öffnete, erkannte er Catherines Gesicht, das vor Zorn glühte.
Dahinter standen Nancy, Jacqueline und Andy.
    »Sie ist noch nicht wieder aufgewacht«, versuchte Letzterer
den Auflauf vor der Kabine zu erklären.
    »Hab’ ich mir fast gedacht, dem energischen Geklopfe nach zu
urteilen.« Jetzt erst fiel ihm auf, dass Catherine ein Seil in

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