Die Frauen der Calhouns 05 - Megan
musste sich an der Türklinke festhalten. »Ein paar von seinen Sachen sind weg, und sein Rucksack auch.«
»Ruf bei Suzanna an«, sagte Nathaniel sofort. »Wahrscheinlich ist er mit Alex und Jenny zusammen.«
»Nein.« Langsam schüttelte sie den Kopf. »Sie sind hier. Sie alle sind hier. Und keiner hat ihn gesehen. Ich habe geschlafen.« Sie sprach jedes Wort überdeutlich aus, als habe sie Schwierigkeiten, sich selbst zu verstehen. »Ich habe geschlafen. Nach dem Aufwachen bin ich in sein Zimmer gegangen, wie ich es jeden Morgen tue. Er war nicht da, also dachte ich, er sei bereits unten. Oder draußen. Doch als ich nach unten kam, suchte Alex nach ihm.« Krallen der Angst griffen nach ihr, kratzten ihr über den Rücken. »Also suchten wir ihn zusammen. Und als ich zurück in sein Zimmer kam, bemerkte ich, dass sein Rucksack weg war und seine Sachen …«
»Beruhige dich, Liebes.« Coco eilte zu ihr und legte ihr einen Arm um die Schultern. »Das ist sicher nur ein Spiel. Es gibt so viele Verstecke im Haus und auf dem Grundstück.«
»Er hat sich so auf heute gefreut. Kevin hat über nichts anderes mehr geredet. Er wollte Revolution mit Alex und Jenny spielen.«
»Wir finden ihn.« Sanft drängte Coco Megan in den Korridor. »Wir stellen einen Suchtrupp zusammen. Es wird ihn sicher diebisch freuen, wenn alle nach ihm suchen.«
Eine Viertelstunde später hatten sich alle im Haus und auf dem Grundstück verteilt und suchten nach Kevin. Megan wahrte mit übermenschlicher Anstrengung Fassung und suchte jeden möglichen Schlupfwinkel ab. Sie fing im Turm an und arbeitete sich langsam nach unten.
Er muss hier irgendwo sein, sagte sie sich immer wieder vor. Natürlich, jeden Moment würde sie ihn finden.
Hysterie wollte in ihr aufsteigen und wurde nur mit Mühe zurückgedrängt.
Er spielte nur ein Spiel, war auf Entdeckungsreise. Er liebte dieses Haus. Dutzende von Bildern hatte er gemalt und nach Oklahoma geschickt, damit jeder sehen konnte, dass er in einem Schloss lebte.
Hinter der nächsten Tür würde sie ihn finden, ganz bestimmt …
In einem der langen Korridore lief sie Suzanna über den Weg. Ihr war kalt, eiskalt, obwohl die Sonne durch die Fenster fiel. »Er antwortet mir nicht«, murmelte sie tonlos. »Ich rufe ihn, aber er antwortet nicht.«
»Das Haus ist groß.« Suzanna nahm Megans Hand und drückte sie zuversichtlich. »Einmal haben wir als Kinder Verstecken gespielt und Lilah drei Stunden lang nicht gefunden. Sie war in einen Schrank geklettert und eingeschlafen.«
»Suzanna.« Megan presste die Lippen aufeinander. Sie musste sich den Tatsachen stellen, schnellstmöglich. »Seine beiden Lieblingshemden sind fort, und zwei Paar Turnschuhe. Seine Baseballkappe auch. Sein Sparschwein ist leer geräumt. Er ist nicht im Haus. Er ist weggelaufen.«
»Du musst dich setzen.«
»Nein, ich … ich muss etwas unternehmen. Die Polizei anrufen. Oh Gott!« Die eiserne Selbstbeherrschung bröckelte. »Ihm könnte alles Mögliche passiert sein. Er ist doch noch ein kleiner Junge. Ich weiß nicht einmal, wie lange er schon weg ist. Ich weiß es nicht.« Tränen schwammen in ihren Augen, als sie Suzanna verzweifelt anblickte. »Haben Alex und Jenny nichts zu dir gesagt? Frag sie, vielleicht wissen sie etwas …«
»Ich habe sie schon gefragt, Megan«, erwiderte Suzanna mitfühlend. »Er hat nichts davon gesagt, dass er weggehen will.«
»Wohin will er denn gehen? Und warum? Zurück nach Oklahoma«, schoss es ihr in den Kopf. »Vielleicht will er nach Oklahoma zurück. Weil er hier unglücklich ist und nur so tut, als würde es ihm hier gefallen.«
»Er ist glücklich hier. Aber wir werden es überprüfen. Komm, lass uns nach unten gehen.«
»Hier in diesem Teil habe ich überall nachgesehen«, versicherte Dutch Nathaniel. »In den Vorratskammern, den Lagerräumen, sogar im Kühlraum. Trent und Sloan durchsuchen jeden Winkel auf der Baustelle, und Max und Holt schauen draußen unter jeden Busch.« Sorge lag in seinen Augen, doch seine Hände zitterten nicht, während er frischen Kaffee brühte. »Man sollte meinen, wenn der Junge nur spielt, dass er dann aus seinem Versteck hervorkommt, wenn er den ganzen Trubel hört.«
»Wir haben das gesamte Haus zweimal durchgekämmt.« Mit grimmiger Miene starrte Nathaniel aus dem Fenster. »Amanda und Lilah haben im Retreat gesucht. Er ist nicht im Haus.«
»Für mich ergibt das keinen Sinn. Kevin war hier zufrieden wie eine Perle in der Auster. Jeden Tag kommt
Weitere Kostenlose Bücher