Die Frauen der Calhouns 05 - Megan
mich nie haben sollen.« Die Worte waren viel zu bitter und zu scharf für einen kleinen Jungen.
»Also, was du da sagst, ist wirklich dumm. Jeder wird mal wütend und hat auch das Recht dazu, aber das ist kein Grund, blöd zu werden.«
Kevins Kopf drehte sich ruckartig herum. Sein Gesicht war schmutzig und tränenverschmiert. Es schnitt Nathaniel ins Herz. »Wenn sie mich nicht gehabt hätte, wäre alles anders für sie. Sie tut immer so, als würde es ihr nichts ausmachen. Aber ich weiß, dass das nicht stimmt.«
»Woher weißt du das?«
»Ich bin kein Baby mehr. Ich weiß, was er getan hat. Er ist weggegangen, obwohl sie schwanger von ihm war. Weil es ihn nicht interessierte. Und dann hat er Suzanna geheiratet und ist auch von ihr weggegangen. Und von Alex und Jenny. Deswegen sind wir ja auch Geschwister.«
In den Augen des Jungen stand die blanke Wut eines Neunjährigen. Das sind raue Wasser, dachte Nathaniel, auf denen man sehr vorsichtig navigieren muss. »Darüber solltest du mit deiner Mutter reden, Kevin. Sie ist diejenige, die dir das erklären kann.«
»Sie hat mir gesagt, dass manche Leute nicht heiraten können, auch wenn sie zusammen ein Baby haben. Aber er wollte mich nie, und ich hasse ihn.«
»Dazu kann ich nichts sagen«, meinte Nathaniel behutsam. »Aber deine Mutter liebt dich, und das ist viel wichtiger. Wenn du wegläufst, wirst du ihr sehr wehtun.«
Kevins Lippen begannen zu zittern. »Wenn ich nicht mehr da bin, kann sie dich haben. Ohne mich bleibst du bei ihr.«
»Ich fürchte, ich kann dir nicht ganz folgen, Kevin.«
»Er … er hat dich zusammenschlagen lassen.« Kevin bekam Schluckauf vor Aufregung. »Ich hab’s gehört, gestern Abend. Ich habe dich und Mom reden hören, und sie hat gesagt, dass es ihre Schuld ist. Aber es ist nicht ihre Schuld, es ist meine. Weil er mein Vater ist. Er hat es getan, und jetzt magst du mich nicht mehr und wirst weggehen.«
»Du kleiner Dummkopf!« Emotionen überwältigten ihn, und Nathaniel zog den Jungen mit einem Ruck an sich heran und schüttelte ihn leicht. »Du hast diesen Aufruhr verursacht, weil ich ein paar blaue Flecke abbekommen habe? Sehe ich aus, als könnte ich nicht auf mich aufpassen? Die anderen beiden sind auf allen vieren weggekrochen.«
»Ehrlich?« Kevin rieb sich schniefend die Augen. »Trotzdem …«
»Nichts trotzdem«, fuhr Nathaniel auf. »Mit dir hatte das überhaupt nichts zu tun. Ich sollte dich schütteln, bis dir die Zähne klappern, weil du uns allen solche Sorgen gemacht hast.«
»Er ist mein Vater.« Kevin schob das Kinn vor. »Und das bedeutet …«
»Es bedeutet gar nichts. Mein Vater war ein alter Trunkenbold, der mich an sechs Tagen der Woche vermöbelt hat. Bin ich deshalb wie er?«
»Nein.« Die Tränen flossen jetzt ungehindert. »Ich dachte, dass du mich nicht mehr magst und dass du jetzt bestimmt nicht mehr bleiben wirst, um mein Vater zu werden, so wie Holt Alex’ und Jennys neuer Dad ist.«
Mit sanftem Griff schloss Nathaniel den weinenden Jungen in seine Arme. »Du hast falsch gedacht.« Er rieb die Lippen über das feine Haar und genoss das Gefühl der Liebe, das ihn durchfuhr. »Ich sollte dich von der Rahe baumeln lassen.«
»Was ist das?«
»Das erkläre ich dir später.« Er hielt den Jungen fester. »Hast du jemals überlegt, dass ich mir dich vielleicht als Sohn wünsche? Dass ich mir wünsche, deine Mom und du gehören zu mir?«
»Stimmt das denn auch?« Kevins Stimme klang gedämpft an der breiten Brust.
»Glaubst du, ich mache mir die Mühe und bilde dich zum Steuermann aus, damit du dann einfach wegläufst?«
»Weiß nicht. Wahrscheinlich nicht.«
»Ich habe nach dir gesucht, Kevin. Schon viel länger als nur heute.«
Kevin lehnte den Kopf an Nates Schulter. »Ich hatte solche Angst. Aber dann kam die weiße Möwe.«
»Die Möwe?« Jetzt fiel es Nathaniel wieder ein. Suchend schaute er sich um, doch weit und breit keine Spur von dem Vogel.
»Solange sie da war, hatte ich nicht so viel Angst. Sie ist die ganze Nacht geblieben. Immer, wenn ich aufwachte, habe ich sie gesehen. Und als du kamst, ist sie weggeflogen, mit der anderen Möwe.« Er schniefte. »Ist Mom sehr böse auf mich?«
»Ich glaube schon.«
Kevin seufzte so schwer, dass Nathaniel grinsen musste. »Vermutlich kriege ich jetzt wohl Ärger.«
»Dann solltest du es am besten gleich hinter dich bringen. Sammle deine Sachen ein, und dann lass uns zurückgehen.«
Kevin schnallte seinen Rucksack um und legte
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