Die Frauen von Bramble House
und brauchen sich nicht dem erstbesten Kerl an den Hals zu schmeißen, der sie eines Blickes würdigt. Ja, an den Hals zu schmeißen und danach zu winseln, so wie du. Und jetzt geh mir aus dem Weg! Ich werde jetzt hinaufgehen, sie ausziehen und dann mit ihr baden.«
»Ja, mach das! Und ich gehe und hole die Urgroßmutter, damit sie ihren splitternackten Goldjungen bewundern kann, wie er in der Wanne liegt und seine Tochter auf sich reiten läßt.«
»Du Dreckstück! Die Urgroßmutter weiß, daß ich die Kleine bade.«
»Sie hat keine Ahnung davon, wie das vor sich geht. Wie kommt es denn, daß du, wenn die Alte in der Nähe ist, grundsätzlich angezogen ins Bad gehst und auch wieder ganz angezogen herauskommst? Aber wenn du weißt, sie liegt sicher eingepackt im Bett, trägst du bloß ein Handtuch um die Hüften. Und wenn sie manchmal tagelang droben festlag, hast du sogar auf das Handtuch verzichtet. Und natürlich hast du dich stets vergewissert, daß auch die Oma nicht in der Nähe ist. Und wieso war die Tür zum Bad immer abgeschlossen, bis ich den Schlüssel weggenommen habe? … Oh, das versuch mal! Erheb die Hand gegen mich und versuch mich zu schlagen! Berühr mich nur ein einziges Mal … und ich verspreche dir, daß du ein paar Tage lang nicht kriechen kannst, weil ich nämlich alles, was hier in diesem Zimmer beweglich ist, auf dir zertrümmern werde. Und jetzt will ich dir was sagen, und das ist endgültig: In Zukunft wird das Kind baden, bevor du ins Haus zurückkommst, und wenn du versuchen solltest, sie noch ein einziges Mal mit ins Bad zu nehmen, dann, Junge, wirst du nicht wissen, wie dir geschieht!«
»Und jetzt will ich dir was sagen: Dich mach ich fertig. Eines Tages bring ich dich um! Bestimmt! Versuch irgendwie mich von meiner Kleinen zu trennen, und ich begehe einen Mord! Sie gehört mir! Das habe ich dir schon von Anfang an gesagt. Ich hab es dir immer wieder deutlich in die Ohren gebrüllt: Sie gehört mir, und das wird auch so bleiben. Kapierst du das? Mach, was du willst, aber sie gehört auch weiter mir, weil sie nämlich schon weiß, daß das so ist, daß sie mein ist!«
Hätte er sich jetzt abgewandt, wäre aus dem Zimmer gestürzt und hätte die Tür zugeknallt, dann hätte sich Peggy nicht halb so sehr gefürchtet. Aber er wich langsam vor ihr zurück, einen Arm nach vorn gekrümmt, den Zeigefinger zuckend gegen sie gerichtet. An der Tür drehte er sich nicht um, sondern langte mit der Hand nach hinten, öffnete sie, mußte dabei einen Schritt ins Zimmer zurück tun, und erst dann, nach einer langen Pause, ging er hinaus und zog die Tür leise hinter sich zu.
Peggy ließ sich in einen Sessel fallen. Die Augen kniff sie zusammen, der Mund stand ihr weit offen. Der Mensch war verrückt; verrückt, was dieses kleine Mädchen betraf. Und er meinte wirklich, was er gesagt hatte. Das Gefühl von Bedrohung, das er nach seinem leisen Weggang hinterlassen hatte, hing wie ein düsterer Nebel um sie herum und schien bereits ihr künftiges Leben zu verdunkeln. Und dann, als wäre das alles auf einmal hautnah spürbar für sie geworden, sprang sie aus dem Sessel auf, schlug mit den Armen in die Luft, als wollte sie den Dunst zerteilen, und sagte mir weitgeöffneten Augen und laut: »Ich muß was tun! Ich werde mit der Urgroßmutter reden. Ja, das mache ich!«
Und sie hatte es der Urgroßmutter gesagt. Nun stand sie da und blickte auf diese zweiundachtzigjährige Greisin hinab, die wie eine Vierzigjährige angezogen war: ein hellblaues Baumwollkleid, am Hals geschlossen, mit kurzen Ärmeln, das Fleisch am Hals verblüffend fest, aber das wahre Alter zeigte sich an der schlaffen Haut der Unterarme. Das dichte graue Haar war rötlich-braun getönt, eine Prozedur, zu der sie sich erst in den letzten zwei Jahren herabgelassen hatte, während sie zuvor stets Verachtung für »diese törichten Weibsbilder« übrig hatte, die »ihr Alter mit gefärbten Haaren zu verbergen versuchten«. Und das Gesicht schließlich, mit Falten um den Augen und den Mund, aber die Haut ansonsten dank des exzellenten Knochenbaus fest und straff.
Und da sprach die eigene Urgroßmutter, und Peggy traute ihren Ohren nicht. Und die Angst in ihr wuchs. Noch vor kurzem hatte Peggy gedacht, daß nichts dieses Gefühl übler Vorahnungen übertreffen könnte, das Andrew nach seinem stillen Abgang aus dem Salon zurückgelassen hatte. Darin hatte sie sich geirrt. Denn jetzt legte sich darüber noch ein Gefühl von höchster
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