Die Frauen von Bramble House
Es hängt davon ab, wie gut die Tournee läuft. Und keiner von denen hat hier enge Bindungen, eigentlich überhaupt keine; die sind alle Junggesellen, also so quasi. Einer ist Witwer, der andre geschieden, und nur noch bei Joe gibt es Eltern, die noch leben. Also sind sie in jeder Hinsicht frei und ungebunden. Aber ich habe es eben einfach nicht über mich bringen können, so lange Zeit weg zu sein … von dir weg zu sein. Und dann hätten sie mich wahrscheinlich zu überreden versucht, bei ihnen weiter mitzumachen und mich in Amerika auf Dauer niederzulassen. Nein, das konnte ich einfach nicht machen.«
»Ach, Charlie, jetzt habe ich dir auch das noch kaputtgemacht! Tante May wird wirklich böse auf mich sein. Ich weiß, sie wird das nicht zu zeigen versuchen, genau wie sie das bisher auch immer getan hat.«
»Ach nein, das wird Tante May nicht. Sie ist entzückt darüber, wie sich die Dinge entwickelt haben. Außerdem denke ich schon eine ganze Weile daran, mich auf die eigenen Beine zu stellen. Ich habe inzwischen ein umfangreiches Repertoire für einen ganzen Soloabend. Außerdem kann ich Unterricht geben. Und es gibt immer mehr Menschen, die ernsthaft Gitarre spielen wollen und nicht bloß auf den Saiten rumzupfen. Ich habe von Reynolds so viel gelernt. Er fehlt mir immer, wenn ich zurückkomme. Aber er war eben alt und müde; und er hatte ganze Horden von Jungs, die danach drängten, bei ihm zum Unterricht aufgenommen zu werden. Und da ich seine Methode kenne, denke ich, daß Unterricht eine ziemlich stabile zweite Schiene sein könnte. Ich werde also nicht verhungern. Und du, Liebes, du würdest auch nicht verhungern. Kannst du dich nicht endlich entscheiden?«
»Ach, Charlie, du weißt doch, daß ich mich schon vor Jahren fest entschieden habe. Ich könnte da jederzeit fortgehen, wenn es nicht Emmas wegen unmöglich wäre. Aber er würde sie für sich beanspruchen und wahrscheinlich kriegen. Und augenblicklich passieren Sachen, die mir angst machen.«
»Schlimmer als zuvor?«
»In einer Weise, ja.«
»Aber, er hat doch nicht etwa …?«
»Soviel ich weiß, nein. Aber ich weiß eben nicht; sie hat Angst, daß es Krach zwischen ihm und mir gibt. Also erzählt sie natürlich gar nichts.«
»Und die große Mrs. Funnell?«
»Oh, die ist nach wie vor völlig in ihn vernarrt.«
»Weißt du, eigentlich kann ich das kaum glauben von der alten Dame. Ich glaube es einfach nicht. Sie war doch immer so eine dynamische, klar denkende Person, und jetzt fällt sie auf so einen Schleimscheißer und Schwanzwedler rein.«
»Eitelkeit ist was ganz Merkwürdiges. Erst vor ganz kurzem ist mir das klargeworden. Doch soweit ich mich zurückerinnern kann, was sie schon immer ungewöhnlich eitel. Meine Mutter sagt das auch. Und das kommt auch noch dazu: Früher kam sie fast jeden Tag mal kurz vorbei. Jetzt nicht mehr. Ich beneide sie um ihr Glück, es strömt ihr regelrecht aus allen Poren, aber ich spüre auch eine ziemliche Verbitterung gegen sie, weil sie mit dieses Los aufgebürdet hat und weil sie mich damit ganz umgekrempelt hat: Aus dem jungen Mädchen machte sie vorzeitig eine Frau, und eine ziemlich verbitterte noch dazu. Charlie, ich habe mich sehr verändert. Ich … ich bin nicht mehr die gleiche wie vor Jahren! Ich sage und mache Sachen, die mich selbst schockieren.«
Er lachte. »Meine Liebe, liebste Peggy, für mich wirst du immer die gleiche bleiben. Du weißt, daß ich dich von allem Anfang an geliebt habe, und ich werde dich immer lieben. Und jetzt, wo ich wieder ständig hier bin, also jedenfalls werde ich nur immer mal so eine Woche oder so im Ausland sein, also jetzt … werden wir uns regelmäßig treffen. Hast du gehört? Wir werden wirklich zusammen sein. Es ist mir egal, wo und wann. Nein, stimmt nicht, jedenfalls nicht, was das wann angeht, denn es muß bald sein! Und wegen ihm mußt du dir wirklich keine Gewissensbisse machen, denn er betreibt seine heimlichen Spielchen schon seit Jahren, und du weißt es. Aber jetzt muß ich wieder zurück, und sei es auch aus keinem andern Grund als dem, daß die anderen mir sonst alles wegessen, und ich habe seit heute früh keinen Happen mehr gehabt … Ach, meine Liebste!« Wieder preßte er sie fest an sich. Dann, als sie sich trennten, fragte sie: »Charlie?«
»Ja?«
»Hast du nie jemand andern … begehrt? Ist das wahr?«
Charlie bejahte das weder sofort, noch stritt er es ab. Nach einer Weile sagte er: »Nein, ich habe nie wen andres geliebt …
Weitere Kostenlose Bücher