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Die Frauen von Clare Valley

Die Frauen von Clare Valley

Titel: Die Frauen von Clare Valley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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heute.«
    »Aber Sie glauben doch nicht alles, oder?«
    »Wie bitte?«
    »Sie haben schon richtig verstanden. Sie glauben doch nicht alles. Wir sollten jede einzelne Anfrage auf ihre Glaubwürdigkeit hin überprüfen. Ich kenne die Menschen. Wenn es irgendwo etwas umsonst gibt, wird dafür betrogen und gelogen.«
    »Mrs Kernaghan!«
    »Ich wünschte auch, es wäre nicht so, doch so ist es«, sagte sie entschieden.
    »In dem Fall, fürchte ich, irren Sie«, sagte Lola. »Wir hatten schließlich das sehr zweifelhafte Vergnügen, die Anfragen zu lesen. Ich glaube nicht, dass irgendjemand so weit gehen würde.«
    »Dann kennen Sie die Menschen nicht so gut wie ich. Wir haben vor ein paar Jahren in einer unserer Boutiquen ein Fundraising veranstaltet, für eine Frau, deren Kind schwer an Krebs erkrankt war. Und dabei über zehntausend Dollar gesammelt. Fotos gemacht. Sogar das lokale Fernsehen hat über den Fall berichtet. Und am Ende hat sich herausgestellt, es war alles eine Lüge. Das Kind war überhaupt nicht krank. Die Frau hatte ihren Jungen halb verhungern lassen und ihm die Haare geschoren, um sich Geld zu erschwindeln.«
    »Das halte ich für einen modernen Mythos«, sagte Kay zögernd. »Diese Geschichte habe ich genau so irgendwo im Netz gelesen.«
    »Ich auch«, sagte Patricia. »Ich dachte, das wäre irgendwo in den USA passiert.«
    Mrs Kernaghan wirkte ein wenig ertappt. »Man wirft schon mal etwas durcheinander, wenn man so viel um die Ohren hat. Aber es läuft auf das Gleiche hinaus. Wenn es irgendwo etwas umsonst gibt, verlieren die Menschen alle Hemmungen, und ich wette …«
    »Zehntausend Dollar?«, warf Lola ein.
    »… dass nicht alle Hilferufe aufrichtig sind.«
    »Und was schlagen Sie vor, Mrs Kernaghan?«, fragte Lola. »Sollen wir sämtliche Adressen abklappern und uns Kontoauszüge zeigen lassen? Die Kühlschränke inspizieren? Nach versteckten Geschenken suchen? Uns erst versichern, dass Hilfe wirklich nötig ist, ehe wir etwas geben?«
    Entweder bemerkte Mrs Kernaghan Lolas sarkastischen Tonfall nicht, oder sie schenkte ihm schlicht keine Beachtung. »Zeigen Sie mir mal ein paar von den Briefen. Seit ich hier lebe, habe ich sehr viele Menschen kennengelernt. Ich kann sicher dabei helfen, die Spreu vom Weizen zu trennen.«
    »Nein!« Das erklang im Chor.
    »Ich bin auch im Beirat.«
    »Das ist ein Sonder-Beirat«, sagte Lola und musste sich sehr beherrschen, sich die Zettel nicht in den Ausschnitt zu stecken. »Wir haben Vertraulichkeit zugesichert. Hier geht es um Stolz.«
    »Glauben Sie nicht alles, was Sie sehen, hören oder lesen. Mehr sage ich nicht. Seien Sie auf der Hut«, entgegnete Mrs Kernaghan, griff nach ihrer Handtasche und rauschte davon.
    »Vielleicht hat sie recht«, meinte Kay, nachdem sich alle vergewissert hatten, dass Mrs Kernaghan wirklich fort war. »Woher wissen wir, dass wirklich jeder, der um Hilfe bittet, sie auch braucht?«
    »Selbst wenn nicht, zeigt nicht die Tatsache, dass sich jemand zu so einer Täuschung herablässt, dass er irgendeine Form von Hilfe nötig hat?«, erwiderte Lola. »Und so ein Paket macht das Weihnachtsfest bestimmt ein wenig schöner. Und darum geht es uns doch, oder?« Doch Lola konnte sehen, dass Mrs Kernaghan einen Zweifel gesät hatte. Verdammt .
    Als sich Lola abends in ihrem Zimmer die Nachrichten ansah, klopfte es an der Tür.
    »Luke!«, rief sie. »Was für eine nette Überraschung.«
    »Tut mir leid, dass ich nicht vorher angerufen hab. Ich wollte keine falschen Hoffnungen wecken. Kann ich reinkommen?«
    »Aber sicher.«
    Sein Laptop klemmte unter einem Arm. »Ich könnte deins nehmen, aber das hier ist noch schneller. Nicht, dass ich dir minderwertige Technik gegeben hätte«, fügte er schnell hinzu.
    »Natürlich nicht. Hast du Neuigkeiten?«
    »Ich wollte dir etwas zeigen.«
    Lola sah mit Ungeduld und Bewunderung zugleich zu, wie Luke den Laptop aufstellte, über die Tastatur flog, im Netz herumsurfte, bis vor ihren Augen auf dem Monitor ein Bild erschien. Ein Foto. Ein Foto, das Lola kannte. Alex, Anfang achtzig.
    »Das ist doch nach dem Bild entstanden, das ich dir gegeben habe, oder? Hast du das Programm noch einmal laufen lassen?«
    »Das ist nicht dein Foto, Lola.« Luke grinste von einem Ohr zum anderen. »Das hier ist die Wirklichkeit. Ich habe ihn gefunden, Lola. Das ist er doch, oder? Dein Alex?«
    Lola beugte sich vor. Ja, das war er, ganz eindeutig. Das war seine Gesichtsform, waren seine sanften Augen. Seine

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