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Die Frauen von Clare Valley

Die Frauen von Clare Valley

Titel: Die Frauen von Clare Valley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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»Wir sollten nicht noch mehr Strom verschwenden. Die Rechnung wird schon hoch genug.«
    Ein erster Windstoß ließ den Chiffon rings um die Puppe flattern, ein, wie sie alle fanden, dramatisches und schönes Bild.
    »Vielleicht hätten wir einen Ventilator ins Fenster stellen sollen«, sagte Lola und blickte in die Mienen ringsum. »Oder auch nicht.«
    Ein zweiter Windstoß ließ die Puppe schwanken. Beim dritten kippte sie nach vorne, beim vierten nach hinten.
    Doch den Garaus machte ihr kein fünfter Windstoß. Sondern Len, der seine Metzgerei verließ und über die Straße eilte, um zu sehen, wieso sie bei dieser Hitze die Tür offen stehen ließen. Und wie meist hörte er nicht hin, als sie ihn aufzuhalten suchten, sondern marschierte schnurstracks in den Laden und sagte mit seiner sehr lauten Stimme: »Mädchen, habt ihr den Verstand verloren? Bei dem Wetter müsst ihr doch die Tür zumachen!«
    Hinterher einigten sie sich darauf, dass es ein Zusammenspiel aus Lens energischem Ruck an der Tür und einem allerletzten Windstoß war. Die Puppe schwankte, trudelte wie in Zeitlupe, schließlich aber glitt sie seitlich von ihrem Gestell und riss die fünfzig farbigen Chiffonbänder mit sich. Einen Moment lang war alles wie erstarrt, dann löste sich leise der Kopf vom Rumpf und kullerte über den Boden, Len vor die Füße.
    »Scheiße!«, rief Len. »War ich das?«
    »Das war eindeutig Sabotage, dafür gibt es vier Zeuginnen«, sagte Lola. Als sie Lens bestürzte Miene sah, fügte sie schnell hinzu: »Len, ich ziehe dich nur auf. Unsere wunderbare Dekoration wartet seit Langem schon auf so ein Unglück. Gott sei Dank hast du junger Hüpfer gerade dort gestanden und konntest zur Seite springen. Stell dir vor, die Puppe wäre auf eine von uns reifen Damen gestürzt.«
    »Oder auf ein Baby in seinem Kinderwagen«, sagte Kay.
    »Oder ein Mitglied der Jury«, warf Patricia ein.
    »Oder einen Anwalt, der uns verklagen könnte«, ergänzte Margaret.
    Len war völlig außer sich. »Das war keine Absicht. Wirklich nicht, so glaubt mir doch. Was macht ihr denn jetzt? Morgen ist doch die Jurierung!«
    »Uns fällt schon etwas ein«, sagte Lola und schob ihn sanft in Richtung Tür. »Zerbrich dir deswegen wirklich nicht den Kopf. Das war nicht deine Schuld, sondern eine unglückliche Kombination aus Wind und Türeschlagen, und nichts anderes werden wir kommunizieren.«
    Es dauerte nicht einmal fünf Minuten, und die neue Auslage war bereit. Die ursprüngliche zu beseitigen dauerte weit länger. Anschließend traten alle vier hinaus in die Hitze und besahen sich ihr Werk.
    »Viel besser«, sagte Patricia.
    »Genau das Richtige«, meinte Kay.
    »Wir werden auch damit nicht gewinnen, doch genau das hätten wir von Anfang an tun sollen«, stimmte Margaret zu. »Gute Idee, Lola.«
    »Dankt nicht mir. Das war Betts Idee.«
    Wo am Morgen noch eine Schaufensterpuppe unter knallbunten Chiffontüchern gestanden hatte, war nun nichts. Kein Hintergrund, keine Dekoration, gar nichts. Das gesamte Schaufenster war leer. Leer – bis auf ein schlichtes Schild, dessen Text sie gemeinsam auf dem Computer geschrieben und auf einem DIN-A4-Blatt ausgedruckt hatten.
    Unsere Weihnachtsauslage bleibt leer. Denn für viel zu viele Familien in unserer Region ist Weihnachten eine Zeit der Entbehrung. Zu viele müssen ohne Festmahl, ohne Geschenke, ja, sogar ohne Baum auskommen. Daher will der Clare Valley Wohltätigkeitsladen in diesem Jahr Weihnachtspakete verteilen. Doch dafür benötigen wir Ihre Hilfe. Wir werden damit nicht den Schaufenster-Wettbewerb gewinnen, doch wir hoffen auf ausreichend Spenden, sodass wir hundert Pakete packen und an die Bedürftigen in der Region verteilen können. Über Konserven und Spielzeug, Bücher und Geschenke (bitte nur neue) würden wir uns freuen.
    Herzlichen Dank.
    Der Beirat.
    »Perfekt«, lobte Kay noch einmal. »Ich frage mich nur eines: Wer sagt es Mrs Kernaghan?«
    Zu ihrem Glück musste das niemand tun. Sie fand es selbst heraus. Margaret, die am Nachmittag arbeiten und Mrs Kernaghans Zorn erdulden musste, rief Lola später an.
    »Natürlich war sie völlig außer sich. Anfangs zumindest. Als sie dann gesehen hat, wie viele Leute draußen stehen bleiben, das Schild lesen, in den Laden kommen und sagen, was für eine großartige Idee das ist, da hättest du sie mal erleben müssen. Sie hat allen Ernstes behauptet, dass die erste Auslage nur dazu da gewesen sei, Aufmerksamkeit zu erregen, und diese Aktion sei

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