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Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)

Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)

Titel: Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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kein Angeber. Auch jetzt spreche ich nur davon, weil du mich zwingst. In dem fürchterlichen Augenblick, als die Moira erschien, mit der Waage in der Hand und sich ins Weltenschicksal einmischte, das das Verhältnis zwischen Mensch, Gott und Wahrheit entschied … war ich, der als feige, verlogen, kupplerisch, lüstern und diebisch verschriene Hermes, als Einziger von den Göttern mit niederen Namen dabei und habe mitgeredet. Das geschah, als der Gott zum dritten Mal gelacht hat.« Hermes richtete sich auf. Mit weit zurückgelehntem Körper saß er würdevoll da, als wäre er plötzlich gewachsen. Ich starrte ihn stumm an wagte mich nicht zu regen in meinem Busch.
    »Verzeih mir!«, murmelte meine Mutter. »Ich habe noch nie davon gehört …«
    »Das ist eines der Weltengeheimnisse«, sagte Hermes schroff und verächtlich. »Der namenlose Gott hat danach noch zweimal gelacht, und schließlich hat er anerkannt, dass wir beide recht hatten. Moira hat das Weltenzepter bekommen … Und vielleicht gibt es deshalb keine Gerechtigkeit auf der Welt. Ich bin ein großer Anhänger des weiblichen Geschlechts.« Höflich und spöttisch verbeugte sich Hermes im Sitzen. »Aber wenn ich der namenlose Gott gewesen wäre, hätte ich das Zepter der Gerechtigkeit nicht weiblichen Händen anvertraut. Ich, der Schnellfüßige, bekam nur den Heroldsstab. – Du beschuldigst mich der Zauberei«, sagte er leise und schüttelte den Kopf. »Ich leugne nicht, dass ich durch die Berührung mit dem Heroldsstab in der Welt der Lebenden einen Zauber bewirken kann. Wie du mit der Peitsche, die dort an deiner Seite hängt.« Hermes zeigte jetzt mit einer vorsichtigen Bewegung auf die volle und herausfordernde Taille meiner Mutter. Meine göttliche Mutter packte eifersüchtig den Griff der aus Schlangenhaut geflochtenen, furchtbaren Peitsche. »Aber während du zauberst, weil dein eifersüchtiges Herz die Menschen hasst, bemühe ich mich, mithilfe des Zaubers Träume, Frieden und Glück in ihr Leben zu schmuggeln. Ich bin der Freund der Menschen«, sagte der alte Gott leise und feierlich.
    Meine Mutter senkte den Blick. Ihr großartiger Busen keuchte. Mit halb gesenkten Wimpern sah sie den Gast von der Seite an und sagte mit erstickter Stimme:
    »Du willst mir das Recht zum Zaubern nehmen?«
    Hermes ergriff ihre schöne, gefährliche Hand und drückte sie.
    »Göttliche Hexe«, sagte er höflich und eifrig, »glaube mir, ich spreche auch jetzt als Freund zu dir! Was ich sage, ist vielleicht unangenehm, aber du wirst sehen, schließlich wirst du dankbar sein für diese Entscheidung der Götter! Ich habe deine Beschuldigungen angehört. Dein Misstrauen verzeihe ich dir. Du hasst mich, weil du glaubst, dass wir uns an höherer Stelle grundlos in deine wütenden Praktiken einmischen. Kirke, du musst dich mit den Menschen aussöhnen! Du bist gekränkt worden. Dein Herz heilt nicht. Doch die Menschen sind nicht so hoffnungslos, wie es das gekränkte Herz einer Göttin glaubt. Und vielleicht bin ich auch nicht nur der letzte Dieb, der wortgewandte, lügnerische und unmoralische Kuppler, als den du mich dargestellt hast. Natürlich bin ich unvermeidlich auch all das, ich lebe ja bei den Menschen und Göttern. Was kann ich da sonst lernen? Aber ich bin auch anders. Soll ich prahlen? Soll ich zu meiner Verteidigung anführen, dass ich mit aller Kraft der Sache der Verbürgerlichung diene und den internationalen Verkehr in der Welt erleichtere? Deshalb passe ich auf den Straßenbau und allgemein auf den Verkehr auf und verscheuche die Gespenster, die in der Gestalt niederträchtiger Makler und Politiker in den Büros der großen Straßenbauunternehmen herumschleichen. Es wird gemunkelt, dass ich, der Herr der Wege, durch Schlüssellöcher schlüpfen kann. Ich sehe, du lächelst durch deine wütenden Tränen.«
    Meine Mutter, besänftigt, lächelte tatsächlich.
    »Du bist ein Schwätzer«, sagte sie sanfter, »ein Schmeichler und ein Lügner! Die Dunkelhäutigen, die Araber, von denen ich die Gewürze für meinen Haushalt kaufe, sind vielleicht deshalb so verlogen, weil du ihr Ahnherr bist.«
    »Vielleicht«, sagte Hermes gut gelaunt und lachte auf. Er tätschelte und küsste meiner Mutter die Hand, dann lehnte er sich zufrieden im Lehnstuhl zurück. Erleichtert sprach er weiter. »Meine Freundin, die Welt entwickelt sich weiter. Die Zeit des großen Spiels, des anfänglichen Zaubers, ist vorüber. Ich leugne nicht, dass ich ein leidenschaftlicher Anhänger

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