Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)

Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)

Titel: Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
Vom Netzwerk:
los sein willst. Obwohl ich nicht begreife, warum du dann überhaupt nach Hause gekommen bist.«
    »Weil die Götter es so wollten«, sagte er finster mit verschränkten Armen. Er keuchte ein wenig. Diese Nacht – ob er Komödie gespielt hatte oder ehrlich gewesen war – hatte ihn erschöpft. »Ich bin heimgekehrt, um für Gerechtigkeit zu sorgen. Du verlässt das Haus, noch heute, bevor Helios seine Rinder auf die Himmelswiesen treibt.«
    »Also noch am Vormittag«, sagte ich ungeduldig. »Wir sind allein, und ich habe nicht viel Zeit. Wir brauchen also nicht um den heißen Brei herumzureden. Du glaubst ernsthaft, ich hätte dich mit Eurymachos betrogen? Oder mit jemand anderem?«
    »Ich weiß alles«, wiederholte er finster.
    »Athene hat geschwatzt, was?«, fragte ich beunruhigt. »Glaub nicht, mein Mann, dass diese Göttin ehrlich ist. Sie will etwas von dir. Ich weiß, dass sie lügt. Unserem hehren Sohn Telemachos hat sie vorgelogen, dass Eurymachos derjenige von den Freiern ist, der die schönsten Geschenke mitgebracht hatte. Sie hat ihm in den Kopf gesetzt, dass ich Eurymachos schließlich nachgeben, mit ihm fortgehen und sämtliche Geschenke mitnehmen könnte.«
    Er schwieg. Mit finsterem Blick maß er mich.
    »Gib dich damit zufrieden, dass ich dein Geheimnis kenne«, sagte er schließlich.
    »Eurymachos«, sagte ich und musste lachen. Aber meine Stimme, jetzt weiß ich es, war nicht ehrlich. »Als deine göttliche Freundin Athene dir den Kahlkopf als Verkleidung gegeben hat – keine besonders feinfühlige Idee, das muss ich schon sagen –, da hat dich dieser kecke Kerl verspottet, deswegen hasst du ihn. Aber ich habe dich auch kahl erkannt«, sagte ich flehend.
    »Kahlkopf!« Beleidigt strich er sich über den glänzenden, glatten Schädel. »Die Schande hat viele Gesichter. Dein Verehrer«, sagte er unbarmherzig, »hatte auch ein Verhältnis mit deinem Dienstmädchen, dieser Nutte. Ich hoffe, du weißt das?«, fragte er spöttisch und beugte sich nach vorn, um mein Gesicht zu beobachten.
    Ich senkte den Kopf.
    »Schrecklich ist das«, sagte ich nach einer Weile, leise, als spräche ich zu mir selbst. »Ich glaube nicht, dass es den Göttern gefällt, was du tust. Die Götter haben dich heimgeführt, Ulysses. Wir haben dich erwartet, weil du der Lichtbringer bist. Ich gebe zu, wir haben auf menschliche Weise auf dich wartet. Ich, deine Frau, dein Sohn, den du ohne Stütze und Rat gelassen hast, deine Diener und deine Freunde … Wir sind alle nur Menschen. Manchmal hat das Warten uns vielleicht auch ein wenig ermüdet. Die Versuchung war groß.«
    »Gibst du es zu?«, fragte er freudig.
    »Ich gebe zu, dass ich eine Frau bin«, antwortete ich. »Deine Frau«, setzte ich rasch hinzu. »Es hat mich geschmerzt, dass du mich verlassen hast. An die Ehre glaube ich nicht …«
    »Das ist natürlich«, sagte er ruhig und nickte, »weil du eine Frau bist.«
    »Möglich«, seufzte ich. »Aber als du heimgekommen bist, nach so viel Zweifeln, Enttäuschungen und Versuchungen, da klopfte mir das Herz. Ich glaubte, wir könnten noch einmal von vorn beginnen und das Leben mit einem weiseren Herzen abschließen.« Im Saal wurde es schon hell. »Weißt du, dass ich ein Kind erwarte?«, fragte ich und sah ihm in die Augen.
    Er winkte ab.
    »Ich weiß«, sagte er finster. »Von Eurymachos.«
    Ich konnte nicht einmal mehr weinen, so müde war ich. Mit einer hilflosen Handbewegung zeigte ich, dass ich auf seine verrückten Beschuldigungen nicht antworten konnte.
    »Wenn du willst«, sagte ich, »verschwinde ich wie Pandraresos Töchter, die die Harpyien geraubt und den Erinnyen zum Fraß vorgeworfen haben.«
    »Nein«, sagte er und sah mich schief an. »Du gehst nach Mantinea und wartest dort auf meine Befehle!«
    »Du bist mein Mann und König«, sagte ich mit geheuchelter Unterwürfigkeit. »Aber warum nach Mantinea? Wenn wir uns trennen müssen, wollen wir uns für immer trennen.«
    Mit der Nacht hatte sich auch der Sturm verzogen. Durch die Tür drang schon gleißendes Licht herein. In den morgendlichen Strahlen sah ich ihn wieder so wie früher, vor zwanzig Jahren, am Anfang unseres Ehelebens. Mit breiten Schultern stand er aufrecht vor mir. Sein kahler Schädel glänzte mit schlauem, eigenartigem Spiegeln. Um seine Lippen erschien das spöttische, freundliche Lachen, das ich so gut kannte und das ich an ihm zugleich fürchtete und mochte: Er lächelte immer so, wenn es ihm gelungen war, jemanden hereinzulegen. Und

Weitere Kostenlose Bücher