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Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)

Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)

Titel: Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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kam, erkundigte er sich nach den Weinen von Mantinea. Er wollte wissen, ob die arkadischen Weine – im Gegensatz zu den argeischen Weinen – tatsächlich säuerlich seien und ob es zutreffe, dass Iulia Eudia dort für die Priester des Asklepios eine Weinpflanzung angelegt habe. Traurig sah ich, dass mein Mann meine Gesundheit einem Trinker anvertraut hatte. Jetzt, da ich wegen meines Zustandes besonderer Betreuung bedurfte, erfüllte mich das mit Besorgnis. Ich lag unter der Plane des breiten Schiffes, meine Sklavinnen gaben acht, dass die brennende Sonne mir während der Seereise nicht die Gesichtshaut versengte, und ich hörte dem Ruderschlag des Schiffes zu. Eine Hand ließ ich über die Seitenwand des Bootes ins Wasser hängen, und mit schlaffen Fingern streichelte ich die Wogen des grauen Meeres. Ich war müde und versuchte, meine furchtsamen, traurigen Erinnerungen zu ordnen.
    Die Überfahrt von Ithaka nach Patras, von der Insel aufs Festland, dauerte vom Morgen bis zum Abend. Wenn Philopator sich nicht übermäßig erbrach, setzte sich der Dichter Theoklymenos zu mir und unterhielt mich mit seiner Lebensgeschichte. Mantios, so erzählte er, sei sein Vater gewesen, von ihm habe er auch die seherischen Fähigkeiten und das Talent zum Singen geerbt. Sein Großvater Melampus sei vor Neleus aus Pylos nach Argos geflohen, aber er, das Kind, sei in Pylos geblieben und habe dort das Weissagen anhand des Vogelflugs erlernt. Mein Sohn Telemachos hatte diesen sonderbaren, klagenden Mann aus Pylos nach Ithaka mitgebracht, als er auf den Spuren seines Vaters unterwegs war.
    »Ich freue mich«, sagte er, und seine Augen glänzten in kindlicher Freude, »dass wir nach Mantinea gehen. Diese Provinz ist die Heimat der Propheten. Hier hat Poseidon Hyppios seinen Tempel. Ich mag das Leben auf den Inseln nicht«, sagte er mir im Vertrauen. »Auf einer Insel bin ich ein Sklave, dort kann ich nicht hingehen, wohin ich will. Herrin, wir fahren nach Hause in deine Heimat.«
    Ich antwortete nicht, weil ich wusste, dass er für Ulysses spionierte. Ich hatte den Verdacht, dass die beiden Männer, die mein Mann zu meinem Schutz bestimmt hatte, mir eher eine Last als eine Hilfe sein würden. Damals wusste ich noch nicht, dass ihre Seelen auch von Intrigen belastet waren. Ich schloss die Augen und ließ meinen Körper von Poseidons mächtigen Armen wiegen. Erstaunlicherweise konnte ich Ulysses nicht böse sein. Alles, was ich in der jüngeren Vergangenheit erlebt hatte, hatte in mir statt Wut eher Argwohn und verdutzte Neugier geweckt. Da ich in anderen Umständen war – ich wusste dies erst seit drei Wochen mit Gewissheit –, bemühte ich mich um des Kindes willen, das ich unter dem Herzen trug, mich zusammenzureißen. Die Männer, die sich in einem fort mit dem Wohl der Menschheit, der Nation und den Göttern beschäftigen, werden nie verstehen, wie viel schwieriger und anstrengender es ist, für einen noch nicht oder gerade erst geborenen Menschen zu sorgen. Ich seufzte, manchmal lief mir auch eine Träne über die Wange und mischte sich auf meinen Lippen mit dem Dunst des Meeres. Das salzige Wasser der Tränen und des Meeres erinnerte mich an die Küsse und Tränen vergangener Zeiten. Von allem, was geschehen war, verstand ich – jetzt, als die schnell klatschenden Ruder mit jedem Schlag den Graben zwischen uns tiefer zogen – nur, dass Ulysses wieder etwas plante und mich überlisten wollte. Deshalb war ich ihm nicht ernstlich böse. Eher verspürte ich eine tiefe, kribbelnde Neugier.
    Ich hatte keinen Augenblick geglaubt, dass er tatsächlich eifersüchtig war. Die unsinnige Beschuldigung, die er gegen mich vorgebracht hatte, schmeichelte mir und verblüffte mich zugleich. Unverständlich, wieso sich sein Verdacht gerade gegen Eurymachos richtete. Von all meinen Freiern war er derjenige, den ich am wenigsten gemocht hatte. Sein anmaßendes und überhebliches Benehmen, die Art, wie er um mich warb – all das kränkte mich mehr, als dass es mir schmeichelte. Ich rief mir die Gespräche in Erinnerung, die sich im Lauf der Jahre unvermeidlich zwischen uns geflochten hatten. Er war ein Mann vieler Worte, also die Sorte, die ich nicht mag. In seiner näselnden Sprechweise versuchte er, mich davon zu überzeugen, dass ich mich längst schon mit dem Untergang meines Mannes abgefunden hätte und unter meinen Freiern auf der Suche nach einem neuen Mann sei, dass es mir nur leidtue, dass ich nicht noch reichlicher mit Geschenken

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