Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)

Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)

Titel: Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
Vom Netzwerk:
wiederzuerobern! Der Mann, über dessen frivole Abenteuer und olympschreiende Lügen die Wald- und Wasserwesen in den Höhlen der Nymphen lachend tuschelten! Dieser Mensch, mein Mann, der Städtezerstörer und Lichtbringer, stand nach zwanzig Jahren vor mir, war eifersüchtig und bezichtigte mich der Untreue.
    »Ich glaube nicht, dass du wahnsinnig bist«, sagte ich ernst, als ich wieder zu mir gekommen und der Nebel vor meinen Augen verflogen war. »Du willst nur einfach etwas.«
    »Du hast mich betrogen und warst untreu«, sagte er ernst. »Du musst das Haus verlassen.«
    Dank meiner Erziehung fing ich nicht an zu schreien. Kirke, der ich diese Szene erzählt habe, sagt, die Männer neigen mit fünfzig manchmal zu so unberechenbaren Eifersuchtsanfällen. Sie erschrecken sich dann vor dem Alter und fangen an, ihre Umgebung – die langweilig gewordenen Geliebten, die alternden Ehefrauen – mit plötzlicher Eifersucht zu quälen. Kirke ist eine kluge Göttin, sie hat viel gelernt in ihrer Höhle. Aber ich glaube, mein Mann hat auch sie hereingelegt. Ich fürchte, Ulysses hat in dieser Zeit nur vorgetäuscht, eifersüchtig zu sein. Obwohl … Das Blut kribbelte mir unter der Haut. Ich empfand Furcht und Neugier und eine angenehme Erregung. Die lächerliche und empörende Beschuldigung, die er mir ins Gesicht geschrien hatte, erboste mich und tat mir zugleich gut. Ausgerechnet mich klagte er der Untreue an, mich, Penelope, der damals schon auf mehreren tugendhaften Provinzinseln ob ihres vorbildlichen Verhaltens ein Denkmal gesetzt worden war, deren Name in den Schulen gelehrt wurde, in metrischen Versen!
    »Eine Frau kann nicht ohne Sünde jahrelang in der Gesellschaft fremder Männer leben«, sagte er ernst. »Du bist schön, Penelope.« Seine Stimme klang Unheil verkündend. »Während ich für meine Ehre gekämpft habe, hast du deine Schönheit gepflegt.«
    »Du verwechselst mich mit jemandem«, erwiderte ich würdevoll und errötete. »Ich bin nicht so alt, dass ich Schönheitsmittel nötig hätte.«
    »Du bist nicht alt, aber auch nicht mehr jung«, sagte er empörend sachlich. »Glaube nicht, dass ich in Unwissenheit gelebt habe. Ich weiß alles, was in diesem Haus geschehen ist. Du warst kokett. Du hast dich hübsch gemacht. Du hast mehrfach freundlich mit den Eindringlingen gesprochen. Du hast ihre Geschenke angenommen!«, rief er aus.
    »Hehrer Gebieter«, sagte ich verzweifelt, »aber du hast doch diese Geschenke zufrieden angesehen.«
    »Jede Genugtuung ist mir lieb«, sagte er kalt. »Ihr alle habt wohl geglaubt, ich käme nicht mehr, stimmt es?«
    »Niemals!«, rief ich. »Ich habe niemals auch nur für einen Augenblick aufgehört zu glauben, dass du heimkehrst.«
    »Warum bist du nicht geflohen?«, erkundigte er sich argwöhnisch.
    »Alles zurücklassen? Das Haus? Telemachos? Was redest du?«, antwortete ich fieberhaft.
    »Alles zurücklassen und deinen Ruf retten. Die Ehre unseres Namens!« Er rollte mit den Augen. »Das war deine Pflicht. Aber du bist geblieben. Hast heuchlerisch die treue Gattin gespielt und dich dabei gesalbt und geschminkt und bist herumstolziert. Eine Frau, die ihren Körper über Jahre und Jahre hinweg den gemeinen Blicken von hundertsiebzehn Männern aussetzt.«
    »Hundertachtzehn«, sagte ich unwillkürlich.
    Sofort errötete ich, mein Gesicht war wie blutübergossen. Es tut mir ewig leid, dass ich dieses Wort aussprach. Manchmal denkt man nicht nach. Er wankte.
    »Hundertachtzehn«, sagte er blass. »Es stimmt also.«
    Langsam kam er auf mich zu. Ich wich zurück, ich fürchtete mich.
    »Willst du den Namen des hundertachtzehnten hören?«
    Mein Herz pochte wild. War es möglich, dass er doch etwas wusste? Hatte ich vielleicht im Schlaf geredet? Beklommen vor Angst, aber zu allem entschlossen, sagte ich ruhig:
    »Offenbar bist du tatsächlich verrückt. Sag schon!«
    »Eurymachos!«, rief er.
    Seine Stimme hallte wie der Ruf des nächtlichen Unglücksvogels im Saal wider. Mit offenem Mund starrte ich ihn an. Aber ich konnte nicht lachen.
    X
    Gegen Morgen, als ich ein wenig zu mir gekommen war und auch er sich etwas beruhigt hatte – er schrie nicht, sondern erteilte routiniert Befehle, legte fest, wie und wohin und unter welchen Bedingungen ich fortgehen sollte –, frisierte ich mein Haar und versuchte ihm ins Gewissen zu reden.
    »Hör mir zu!«, flehte ich ihn an. »Wenn du willst, gehe ich fort. Es wäre allerdings ehrenvoller, wenn du einfach sagen würdest, dass du mich

Weitere Kostenlose Bücher