Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)
befasst.
Mein unglücklicher, leidender Freund tat mir leid. Mit Würde und voller Überzeugung sagte ich:
»Was du verlangst, ist ungehörig. Aber du sollst deinen Willen haben. Ich sehe, dass du leidest.«
»Ich liebe dich, Penelope«, ächzte er düster. »Das weißt du genau. Ich bin der einzige Mensch, der dich selbstlos aus ganzem Herzen liebt. Schwörst du?«
»Ich schwöre, dass ich Eurymachos verachtet habe«, sagte ich vorsichtig. »Und was Hermes angeht, kann ich nur sagen, dass er mehrfach in unserem Haus geschlafen hat. Das trifft zu.«
Amphinomos bot in diesem Augenblick einen bedauernswerten und beunruhigenden Anblick. Er presste die Fäuste an die Stirn, als wollte er seinen zerberstenden Schädel wie mit einem Reifen zusammenhalten.
»Es stimmt also!«, brüllte er. »Achaia, Elis, Arkadia, ganz Sparta hallt von dieser Nachricht wider. Sie sagen, er hätte sich dir in Gestalt eines Ziegenbocks genähert, als er euren Bankert Pan gezeugt hat!«
»Amphinomos«, sagte ich streng und erhob mich, »du vergisst, wo du bist und mit wem du redest!«
»Ich rede mit der Frau«, sagte er wild, »die von ihrem Mann Ulysses wegen Untreue aus dem Haus gejagt wurde.«
»Und ich dachte«, sagte ich ernst, »dass ich mit dem Mann spreche, der weiß, wer ich bin.«
»Verzeih mir«, sagte er untertänig und knirschte mit den Zähnen. Meine ehrliche Entrüstung wirkte auf ihn. Ich spürte meine Macht, und dieses Gefühl war nicht unangenehm. Aber über Hermes wollte ich jetzt nicht sprechen. Jetzt, da für mich die Zeit keine Rolle mehr spielt – die Zeit ist ein menschlicher Begriff, wir Unsterblichen denken nur mit Schulterzucken an diese erbärmliche Krücke, mit der die elende Vorstellungskraft der Sterblichen in der Unendlichkeit umherstolpert –, jetzt kann ich erzählen, dass es einen Augenblick in meinem Leben gab, in dem sich Hermes tatsächlich überraschend und tückisch verhielt. Ich erinnere mich, es war eine Sommernacht … In Ithaka waren die Feigen reif, ihr süßer, schwerer Duft füllte die Gärten. Es ist eine bösartige Verleumdung, dass er sich mir in Gestalt eines Ziegenbocks genähert hätte. Er hatte eher etwas von einem Mann von Welt. Sprach viel, leise und farbig … Er kam am Abend und wartete nicht das Dämmern der rosenfingrigen Morgenröte ab. Vor den ersten Lichtstrahlen verließ er unser Haus. Danach kam er nicht mehr nach Ithaka. Aber dies alles wissen nur wir beide; er, der Gott, und ich, die Frau, die ich – jetzt leugne ich es nicht mehr – eine Nacht lang gern seinen schmeichelnden, melodiösen, lügnerischen Worten gelauscht hatte. Er war ein geschwätziger Gott. Vielleicht hatte er auch anderswo geschwatzt?
Ich senkte den Blick und sah auf die vergoldeten Spitzen meiner Sandalen. Amphinomos’ Blick brannte auf meiner sonnengebräunten Haut.
»Lass doch die Vergangenheit ruhen!«, bat ich meinen erregten Freund. »Sie ist voller furchterregender Schatten.«
»Mit den Schatten meiner ermordeten Gefährten, ja«, sagte er entmutigt. »Stimmt es, dass dein Mann bei seinen Irrfahrten auch im Hades war?«
»Hat sich das schon herumgesprochen?«, fragte ich. »Ja, er war im Land der Kimmerier. Mit seiner Mutter hat er gesprochen und mit Agamemnon … Wieso fragst du?«
Amphinomos stand auf. Er ächzte vor Schmerz und krümmte sich. Den verwundeten Arm und Rücken in gebeugter Haltung vorwärtsschleppend, ging er auf dem Marmorfußboden des Gemeinschaftsraumes auf und ab.
»Penelope«, sagte er, »der Tod war mir, dank deines Mannes, nahe. Dein Sohn hat mich verwundet, und wie sonderbar ist auch das«, er lächelte bitter, »den Tod aus der Hand eines sympathischen Menschen zu empfangen und zu wissen, dass in der mörderischen Hand dein Blut fließt! Als ich unter den Leichen hervorgekrochen und in einem unbeobachteten Augenblick aus dem Saal geflohen bin, in dem dein Mann blutrünstig geschlachtet und gemetzelt hat, hatte ich das Gefühl, die Götter hätten noch etwas mit uns vor!« Ernst sah er mir in die Augen. »Ich bin nach Elis gekommen, habe meine Wunden gepflegt, auf dich gewartet und nachgedacht. Ich glaube, ich habe etwas verstanden.«
»Hast du verstanden, was die Götter noch mit mir und mit dir wollen?«, fragte ich mit erstickter Stimme. Schließlich war ich in Scheidung. Jetzt, dünn und verwundet, bot Amphinomos keinen unsympathischen Anblick.
»Ich habe verstanden, dass man am Ende immer töten muss«, sagte er heiser. »Dein Mann konnte nichts
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