Die Frauen
Breens Hartnäckigkeit gerechnet. Nellie Breen wollte sich nicht geräuschlos verabschieden, denn sie war ein Drache erster Güte, eine seichte, derbe Frau mit einer scharfen Zunge, die irgendwie ihre Klauen in Frank geschlagen hatte und nicht mehr loslassen wollte. Es gab eine Auseinandersetzung, Franks erregte Stimme und das hohe, klagende Kreischen der alten Frau, die sich in der Küche in die Enge getrieben sah wie ein Dachs in seinem Bau, und das Ganze in einer Lautstärke, dass jeder auf dem Anwesen es hören konnte und der Schweinefarmer am Fuß des Hügels wohl auch, und Miriam, die im Bett lag, eine Kanne Kaffee in Reichweite, einen aufgeschlagenen Roman auf ihren Bauch gestützt, spürte, dass ihr Blut in Wallung geriet. Herrgott noch mal, das war eine Hausangestellte, ein Niemand. Schmeiß sie raus, dachte sie, und wenn man sie aus dem Haus tragen muss! Und warum sollte Frank sich überhaupt darum kümmern? Warum nicht sein Verwalter?* Oder seine Mutter? Doch sofort rief Miriam sich zur Ordnung - sie konnte nicht wollen, dass die Mutter die Befehlsgewalt übernahm, nicht einmal für fünf Minuten, nicht einmal, um eine schmutzige Arbeit zu erledigen.
* Zu dieser Zeit war der Verwalter ein junger Architekt namens Russell Williamson. Ich habe keine Lohnabrechnungen für ihn gefunden und nehme an, dass er allein für Kost und Logis arbeitete - ein Vorläufer der Schüler, die noch kommen sollten.
»Sie sind entlassen«, hörte sie Frank plötzlich schreien, und seine Stimme dröhnte durch das offene Küchenfenster und hallte im Hof wider. »Geht das nicht in Ihren Kopf?
Sie werden nicht mehr gebraucht. Punktum. Muss ich mich denn ständigwiederholen?«
Die Alte war um keine Antwort verlegen, und ihre Worte zerhackten den
trüben Morgendunst wie wirbelnde Messer. »Sie denken, Sie können mich einfach rausschmeißen? Ohne irgendeinen Grund? Damit Sie mit Ihrer -« Franks Stimme übertönte die ihre, und dann hörte man ein scharfes, donnerndes Rumpeln, unterlegt mit metallischem Klappern und dem Scheppern von Kochtöpfen und anderen Küchengerätschaften, vielleicht dem Klirren von Besteck, und schließlich das laute Knallen einer Tür. Im nächsten Augenblick sah sie ihn über den Hof stapfen, die Schultern wütend hochgezogen. Sie eilte zum Fenster, ihr Herz floss über - diese Hexe, diese alte Hexe, er war ihr Held, in goldener, schimmernder Wehr, konnten das nicht alle sehen? -, und sie rief seinen Namen, als hinge ihr Leben davon ab.
Er blieb stehen und fuhr herum, um zu sehen, woher dieser neue Angriff kam. Etwas in seiner Haltung, in seinen Schultern, seinen geballten Fäusten, seiner zwergenhaften, großkopfigen, walisischen Angriffslust rief ihr die Szenen ins Gedächtnis zurück, die sich in der East Cedar Street 25 abgespielt hatten, bevor sie kapituliert hatte und nach New Mexico abgereist war, und das gab ihr zu denken. Er funkelte sie an, der Horizont seiner Wut erweiterte sich und schloss jetzt auch sie ein, als wäre sie schuld, und er schrie, als hätte sie ihm soeben einen Pfeil in den Rücken geschossen: »Was? Was willst du von mir?«
Es war ein entscheidender Augenblick. Sie wusste es, sie spürte, wie dieses Wissen sie durchlief gleich einem langen Erschauern, doch sie stand am offenen Fenster, keine fünfzehn Meter von ihm entfernt, und ohne nachzudenken breitete sie einfach die Arme aus. »Frank«, gurrte sie und zog die Silbe nach europäischer Manier in die Länge, »Frahhnnk.« Sie sah, wie sein Gesichtsausdruck sich veränderte. »Komm. Komm zu mir.«
Eine Sekunde später war er am Fenster, um sie, noch immer angespannt, in die Arme zu schließen. »Gut, Frank«, murmelte sie und drückte ihn an sich, und es war, als stünden sie auf einer Bühne, denn war da nicht das Gesicht seiner Mutter in dem Fenster gegenüber? Ja. Ja. Der Schemen eines bereits verblassenden Bildes. Sie packte ihn, drückte ihn, zog ihn an sich. »Gut«, sagte sie. »Das ist gut für dich.«
Sechs Wochen später war der Skandal da, und alles musste neu austariert werden.
Sie waren in Chicago. Frank hatte geschäftlich dort zu tun, während Miriam einige Einkäufe machen wollte, in der Hoffnung, in diesem letzten Vorposten der Zivilisation, der immerhin der schieren Barbarei des ländlichen Wisconsin noch vorzuziehen war, etwas Passendes für den Winter zu finden. Das war allemal besser als Spring Green! Nein, Norma würde sie nicht besuchen, ganz sicher nicht, denn die hatte sich offenbar in
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