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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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festlich hellen Tage des Sommers waren da. Sie bekam regelmäßig Briefe von Lloyd, doch selbst er erschien ihr mittlerweile seltsam fern, wie jemand, den sie in einem früheren Leben gekannt hatte. Wie Frank. Der jetzt mit seinem Sohn und einem angestellten Zeichner in Fiesole lebte, wo sie seine Baupläne auf das von seinem Verleger gewünschte Format verkleinerten, während Mamah in Berlin geblieben war und in einer Schule Englisch unterrichtete. Konnte es sein, dass er ihrer bereits überdrüssig war? Sie gestattete sich diese Hoffnung nicht, denn im Handumdrehen war der Herbst gekommen, die Kinder gingen wieder zur Schule, und ihr Mann war jetzt seit beinahe einem Jahr aus ihrem Leben verschwunden. Ein Jahr. Ein ganzes Jahr. Und wie viele Jahre hatte man, hatte ein Paar, dass es sie so verschwenden konnte?
    Sie wollte nicht hoffen, sie wollte nicht glauben, doch dann kam ein Brief von ihrem Sohn, in dem stand, dass Frank nach Hause fahren wolle, erst nach New York und dann nach Chicago und in das Haus, das er in Oak Park für sie und die Kinder, ihre und seine Kinder, gebaut hatte. Er kam nach Hause. Er war bereits unterwegs. Er würde dasein, bevor die Blätter sich verfärbten und Rauhreif sich über den Rasen legte. Sie holte tief Atem. In ihr hatte sich der Frost ausgebreitet und eine Mauer aus Eis geschaffen, aber der Brief - zwei dünne Blätter Papier - ließ sie schmelzen; es war ein Sturzbach, der alles davonspülte, eine herrliche Reinigung. Heim. Er kehrte heim. Und als er schließlich eintraf, im Automobil eines Auftraggebers, der aus Scham sein Gesicht zu verbergen suchte und nicht einmal ausstieg*, marschierte er zur Haustür, und die Kinder rannten auf ihn zu. Llewellyn klammerte sich an seine Taille, Frances umarmte ihn hüpfend, während die Reporter auf ihre zerfledderten Blöcke kritzelten, und sie lächelte, bis ihr Gesicht brannte.
     
    * W. E. Martin, Bruder von Darwin, war einer von Wrieto-Sans wichtigsten Gönnern und Bewunderern. Seine empörte Frau weigerte sich, die beiden zu begleiten, und Martin fuhr auf Nebenstraßen, in der Hoffnung, dass niemand sie erkennen würde. Wrieto-San jedoch, dessen Haar den Kragen berührte und der mit Kniehosen und breitkrempigem Hut aussah wie »der altmodische Quäker auf der Haferflockenschachtel«, erregte auf dem Bahnsteig erhebliche Aufmerksamkeit, indem er mit Stentorstimme nach seinem Gepäck verlangte und rief: »Alles einsteigen, wir fahren mit dem Auto nach Oak Park!« Wrieto-San war kein Mann, der unauffällig herumschlich, der leise auftrat oder ein langes Gesicht zog - nein, er war der heimkehrende Held. Immer.
     
    Falls sie sich irgendwelchen Illusionen hingegeben hatte, so wurden sie rasch zerstört, denn sobald die Reporter sie nicht mehr sehen konnten, würdigte er sie kaum noch eines Blickes, und nach dem Abendessen ging er zu Bett. Nicht in Catherines Bett - ihr gemeinsames Bett -, sondern im Studio. Sie hatte lange darüber nachgedacht, wer wo schlafen würde, denn sie hatte nicht vor, sich ihm einfach hinzugeben und ihn gewähren zu lassen, nicht, nachdem er mit dieser Schlampe im Bett gewesen war; sie würde ihm eine gepfefferte Predigt halten, ihm richtig die Leviten lesen, und natürlich würde es eine Zeit dauern, bis die Wunden verheilt waren, aber immerhin war er ihr Mann, der Mann, den sie liebte, und nach einer Weile würde es eine Versöhnung geben, Zärtlichkeit, Vergebung. Sie sah in Gedanken, wie sie ihn an ihre Brust drücken würde, den alten Frank, und er würde zerknirscht sein, er würde bitten und betteln.
    Doch sie hatte sich etwas vorgemacht, oder? Er war nicht der alte Frank, er würde nie mehr der alte Frank sein. Er war wie ein feindlicher Krieger, kalt wie der Tod im Winter, und wenn er mit ihr unter einem Dach schlief, so nur um den Schein zu wahren. Und während die Schlagzeilen der Zeitungen verkündeten: WRIGHT KEHRT ZU SEINER FRAU NACH OAK PARK ZURÜCK; Familie heißt den mit der Frau des Nachbarn nach Europa geflohenen Architekten willkommen, war das alles nur eine Schmierenkomödie.
    Er benutzte die Kinder als Puffer und weigerte sich, ihr in die Augen zu sehen. Und jedesmal wenn sie versuchte, tiefer zu graben, die Tragfähigkeit des Bodens zu prüfen, ihm ins Gesicht zu blicken, um zu sehen, woran sie mit ihm war, sprang er auf und verließ den Raum.
    Nach einer Woche, als der erste wirklich kalte Wind aus Kanada wehte, setzten sie alle sich nach dem Abendessen um den Kamin und hörten zu, wie er

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