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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Falls, Virginia.
     
    »Mrs. Wright!« rief ein Reporter, und sie richtete die Augen auf ihn, einen dünnen Mann im grauen Anzug mit verdrießlichem Blick, hellblondem Haar und Stirnglatze. »Können Sie uns sagen, wie Sie fahren werden?«
    Sie beobachteten sie gierig, diese Bluthunde von der Presse, während sie sich die Hand aufs Herz legte und etwas Südstaatenmelasse in ihre Stimme gab. Sie war jetzt auf vertrautem Terrain: die Dame in Not. Und das war sie tatsächlich, sie war in Not, das sollten sie endlich begreifen, diese eigennützigen Mistkerle. »Ach, das weiß ich wirklich nicht. Ich bin ja nun leider fast mittellos.« Und dann der kleine Seitenhieb, den sie sich nicht verbeißen konnte: »Mein Mann kann sich vielleicht einen guten Wagen oder eine Bahnfahrkarte erster Klasse leisten, aber ich bin arm wie eine Kirchenmaus.«
    Als Mr. Jackson sie fünf Minuten später zum Aufzug führte (Mr. Fake hatte sich entschuldigt - er sei an diesem Morgen bei Gericht), holte der Reporter sie ein. »Entschuldigen Sie, Ma’am«, sagte er mit einem Nicken in Mr. Jacksons Richtung, während sie doch nur an ihre Pravaz dachte, denn ihre Nerven waren von dieser ganzen Geschichte ziemlich strapaziert, »aber mir ist das sehr unter die Haut gegangen, was Sie da erzählt haben - Ihnen ist wirklich übel mitgespielt worden -, und ich wollte fragen, ob ich Ihnen vielleicht irgendwie behilflich sein kann?«
    Sie nahm sich einen Augenblick Zeit, um ihn zu mustern, sein Jackett war jetzt offen und ließ eine rehbraune Weste mit großen Tupfen sehen, die enge Hose war über den grell lohfarbenen Stiefeln hochgerutscht, und wie alt mochte er wohl sein - fünfundzwanzig, dreißig? Mr. Jackson sagte kein Wort. Mr. Jackson war ein Freund der Presse, ein sehr guter Freund. Sie beschloss, verwirrt zu sein. »Und wie stellen Sie sich das vor?«
    »Hören Sie - Wallace ist mein Name, von der Trib. Mr. Jackson kann sich für mich verbürgen« - abermals ein Nicken in Jacksons Richtung, das dieser mit einem kaum merklichen Senken des Kinns quittierte. »Also, zufällig haben meine Frau und ich vor, heute vormittag nach Baraboo zu fahren, ihre Mutter hat nämlich Probleme mit den Füßen, und wir würden uns freuen, wenn Sie -«
    »Aber ja«, sagte Jackson. »Ich wüsste nicht, was dagegen spräche.« Er starrte sie jetzt mit berechnendem Blick an, und dieser Blick gefiel ihr nicht sonderlich. »Was meinen Sie, Mrs. Wright? Das könnte doch durchaus interessant sein, wenn dieser freundliche Mann und seine Frau Ihnen aushelfen würden, finden Sie nicht?«»Genau«, sagte der Reporter. »Myra und ich helfen Ihnen nur zu gerne. Und Mr. Jackson kann sich für mich verbürgen, stimmt’s, Harold?«
    Wenigstens war es eine Limousine. Wenigstens etwas. Der Reporter fuhr selbst, und seine Frau - anscheinend mit Zwillingen schwanger, wenn nicht gar mit Drillingen - saß neben Miriam auf dem Rücksitz, während ein anderer Mann von der Zeitung, dessen Name ihr im Lauf des Vormittags und halben Nachmittags ein paarmal zum einen Ohr hinein- und zum anderen wieder hinausging, vorn saß. Wenn sie es richtig verstanden hatte, war er der Fotograf, und das war auch das einzig Bemerkenswerte an ihm. Die Straßen waren natürlich grauenhaft, und die Federung oder Stoßdämpfer oder wie immer das hieß schienen vollkommen funktionsunfähig zu sein, so dass sie während der gesamten Fahrt wie eine Stoffpuppe auf dem Rücksitz herumgeworfen wurde und die Frau des Reporters - Myra - sich an sie klammern musste, um ihrerseits nicht aus dem Fenster geschleudert zu werden. Die Unterhaltung war frostig. Sie fuhren durch zwei Gewitter, hielten zweimal zum Tanken an, einmal - in Madison -, um ein paar Sandwiches zu essen, und einmal, weil Miriam im gottverlassenen Bezirk Mazomanie das dringende Bedürfnis verspürte, eine Toilette aufzusuchen.
    Dort stiegen sie alle vier aus - der Vorwand der Fahrt nach Baraboo, wenn es denn so hieß, war längst aus der Welt: Sie hatten Madison in westlicher Richtung auf einer Straße verlassen, die sie nur zu gut kannte, und keiner hatte mehr ein Wort über die angebliche Mutter und ihr Fußproblem verloren -, die beiden Männer streckten und reckten sich und kontrollierten dann wichtigtuerisch die Reifen, während Myra und sie die Toilette der Bahnstation benutzten. Einer Messingtafel an der Wand im Innern der Bahnstation war zu entnehmen, dass die Ortschaft nach einem Indianerhäuptling benannt war, dessen Name übersetzt »Gehendes

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