Die freien Amazonen - 3
inne. »Verzeih mir, Janna, wenn ich dich damit kränke, aber du und ich sind uns nach so kurzer Zeit, die wir zusammen verbracht haben, näher, als sie und ich uns je sein können.«
Ich richtete den Blick auf die Täler und die in der Ferne blau verschwimmenden Berge. Gekränkt war ich nicht. Aber ich war Janet Rhodes vom Zivildienst des Imperiums, geboren auf Meadow (aber dessen ungeachtet, wie Darla gesagt hatte, terranan). Die Darkovaner waren mir nach all diesen Monaten immer noch ein Rätsel. Das eine Mal scheuten sie vor einer Berührung zurück, und das andere Mal waren sie überschwänglich emotional; kalt, zurückhaltend, verschlossen wie die Hellers, und plötzlich überschütteten sie einen mit einer unerwarteten Vertraulichkeit. Mir fiel nicht gleich eine Antwort ein.
»Ah«, sagte Darla nach einer Weile, »ich habe wieder etwas Falsches gesagt. Ich frage mich, ob ein Darkovaner jemals einen Terranan verstehen wird.«
Ihre Bemerkung entsprach so sehr meinen Gedanken, dass ich lächeln musste.
»Wenn es einem gelingt«, meinte ich, »dann wird es jemand wie du sein. Ihr Gebirgsbewohner seid uns ähnlicher als die Tiefländer, glaube ich.«
»Jetzt muss ich mir überlegen, ob ich erfreut oder beleidigt sein soll«, erwiderte sie, doch auch sie lächelte. »Janna, im Gildenhaus sind wir alle Schwestern, und wir halten uns an das Sprichwort: ›Zu viel Stolz, vielleicht. Zu viele Pferde, mag sein. Aber niemals zu viel Liebe oder zu viele Schwestern.‹«
»Wir haben keine ähnliche Redensart«, sagte ich.
»Nein, das wohl nicht.« Sie wandte sich ab. »Hast du dich ausgeruht? Wir könnten die anderen schon noch einholen.« Aus einiger Entfernung schallte das Bellen der Hunde zu uns herüber.
»Wir haben keine ähnliche Redensart«, wiederholte ich, »aber vielleicht sollten wir eine haben … breda.«
»Oh, breda, ich freue mich so!« Sie fasste meine Hände. Die Geste besaß eine merkwürdige Intimität, die mich irgendwie beunruhigte.
»Ich habe mir schon so lange gewünscht, es zu sagen. Jetzt brauchst du doch nicht abzureisen.« Sie ließ meine Hände los und umarmte mich. Dann trat sie zurück. »Was ist los?«
»Es tut mir Leid. Ich … , das heißt, das ändert nichts daran, dass ich abreisen muss.«
»Aber warum? Haben die Terranan keinen eigenen Willen? Kannst du nicht wählen, ob du gehen oder bleiben willst?«
»Manchmal ja. Nicht immer. Ich werde dich nie vergessen, Darla, und auch die Zeit nicht, die wir zusammen verbracht haben. Aber gehen muss ich. Das ist mein Job.«
Eine Weile war es ganz still. Sogar das Bellen der Hunde hatte aufgehört.
»Du könntest bleiben. Andere Terranan sind ja schließlich auch geblieben.«
»Verstehst du das denn nicht? Wenn ich bliebe, müsste ich alles aufgeben. Meinen Rang, meinen Beruf - Darla, das ist alles, was ich habe, und ich habe so schwer dafür gearbeitet.«
»Für was, wenn nicht für das Recht, dich frei zu entscheiden?«
»Und was wäre, wenn ich dich vor eine solche Wahl stellen würde?
Wenn ich dich bäte, mit mir zu kommen?«
»Das ist meine Heimat. Meine Welt. Aber du hast keine Heimat.
Keine Familie. Das hast du mir erzählt. Breda«, fragte sie leise, »wie kannst du daran denken, uns zu verlassen? Du gehörst hierher.«
»Nein, das tue ich nicht. Verdammt, ich gehöre nirgendwohin. Wie du selbst gesagt hast, bin ich Terranerin.«
»Das bist du nicht! Du bist Janna … Janet Rhodes.« Sie stolperte ein bisschen über den ihr noch unvertrauten Klang meines Namens. »Du bist du selbst! Nicht ›eine Terranerin‹. So unpersönlich! Ebenso könnte man sagen ›ein Buch‹, ›ein Stein‹.«
»Ich bin nun einmal Terranerin.«
»Gut, dann bist du es. Ich bin Darkovanerin. Und wir sind beide Frauen, beide Menschen, und wir haben beide laran.«
»Was? Nein!« Sie riet darauf los, etwas anderes war nicht möglich!
Leugne es, leugne es!
»Janna …«
»Nein. Lass mich in Ruhe. Ich habe kein - ich will nicht - ich bin keine Missgeburt!«
»Natürlich nicht. Ich auch nicht.« Sie zögerte. »Ich habe es bisher nicht erwähnt, weil es so offensichtlich war, dass du nicht darüber sprechen wolltest. Aber es ist da. Janna, wenn du in einer Welt lebtest, wo jeder außer dir blind und taub wäre, würdest du dann deine Ohren verstopfen und deine Augen verbinden? Und wenn du es tätest, hättest du nicht trotzdem Ohren und Augen? Als ich eine der Com’hi-letzii wurde, löste ich jede Bindung zu der Welt und der Vergangenheit,
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