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Die Freundin meines Sohnes

Die Freundin meines Sohnes

Titel: Die Freundin meines Sohnes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Grodstein
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mich einfach so angezogen wie ich noch war, einen Slipper am Fuß baumelnd, hinlegen sollte.
    »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Was?«
    »Du siehst aus wie eine wandelnde Leiche.« Elaine hatte wohl unten irgendwo gelegen, sie hatte Schokolade am Kinn, als sie hereinkam und sich neben mich aufs Bett setzte. Ich leckte meinen Zeigefinger an und machte sie weg.
    »Es war nur ein ganz kleines Stück«, sagte sie. »Eigentlich sollte ich gar keine im Haus haben.«
    »Ich hab keinen Ton gesagt.«
    »Ich weiß, was du denkst.« Aber sie irrte sich. Das Telefon klingelte, und ich langte über sie hinweg und nahm ab. So wach war ich schon wieder. Das ganze Gesicht meiner Frau roch nach Schokolade.
    »Dr. Dizinoff? Pete? Hier spricht Arnie Craig.«
    »Arnie«, sagte ich. Worin bestand eigentlich der Sinn, Gelddafür zu bezahlen, dass eine Nummer nicht im Telefonbuch stand? »Wie geht’s?«
    »Gut, mir geht’s gut«, sagte Arnie, seine belegte Stimme sagte mir aber etwas anderes. »Entschuldigen Sie, dass ich Sie zu Hause störe, Doc. Noch dazu am Wochenende.« Die unumgängliche Vorrede, es tat ihm nicht leid, er schämte sich vielmehr.
    »Es ist noch nicht Wochenende, Arnie. Was kann ich für Sie tun?«
    Er atmete erleichtert auf. Wenn Patienten mich zu Hause anriefen, gab ich mir Mühe, freundlich zu sein, denn ich wusste, dass ihre Sorge fast immer größer war als der Anlass für die Störung. In den meisten Fällen war die Angst zumindest einigermaßen gerechtfertigt, war es angebracht, den ärztlichen Notruf zu wählen, aber die Anrufer reagierten entweder panisch auf Notarztwagen und Notaufnahmen oder kannten mich gut genug, um zu wissen, dass ich freundlich zu ihnen sein würde. Plötzliches hohes Fieber, beunruhigende Ausschläge, Durchfall, Wasser in den Ohren.
    »Es geht um Roseanne«, sagte Arnie. »Sie hat sich in ihrem Zimmer eingeschlossen und weint. Sie hat den ganzen Tag geschlafen, genau genommen die ganze Woche. Ich weiß nicht, das passt gar nicht zu ihr«, sagte er. »Sie ist in letzter Zeit so … so ganz anders. Ich mache mir Sorgen«, sagte er. »Ich wusste nicht, wen ich sonst hätte anrufen können.«
    Das war ein Fall für einen Psychiater, und das sagte ich Arnie auch. Früher war ich immer vorsichtig mit solchen Vorschlägen gewesen, vor allem bei kräftigen Männern mit Jersey-Akzent à la Monsieur Craig – das Misstrauen, dass solche Leute Ärzten entgegenbrachten, war gegenüber Psychiatern noch dreimal größer. Aber es ging auf elf zu, und ich wollte meinen Frieden. »Damit sind Sie bei einem guten Psychiater bestens aufgehoben.«
    »Da ist aber noch was, Doktor.« So leicht ließ Arnie mich nicht vom Haken. »Sie hat noch ein bisschen mehr abgenommen. Es ist mir aufgefallen, weil sie kaum Appetit hat, da hab ich aufgepasst. Ich will ihr nicht zu nahe treten, aber neulich haben wir sogar Lobster mitgebracht, von Joe Fish, sie hat nichts davon angerührt. Irgendwie seltsam. Mein Mädchen hat immer gern gegessen.«
    »Na ja, ehrlich gesagt klingt das wie ein Anfall von Depression, Arnie«, sagte ich. »Appetitverlust, Stimmungsschwankungen, das passt. Aber das lässt sich sehr gut behandeln, es gibt alle möglichen Medikamente. Das lässt sich gut in den Griff kriegen. Ich würde wirklich sagen, dass Sie einen …«
    »Was deprimiert sie denn so? Ist es immer noch der Freund?«
    »Es muss gar nicht unbedingt wegen irgendetwas sein, Arnie«, sagte ich. Dass es im Bergen County noch jemanden gab, der die Paxil-Reklame nicht gesehen hatte – erstaunlich.
    »Wie bitte?«
    »Schauen Sie, Roseanne ist eine junge Frau in einer Übergangsphase. Sie weiß nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen soll, sie ist gerade wieder an die Ostküste zurückgekommen, dabei wollte sie sich doch ein Leben in Kalifornien aufbauen. Sie macht sich Sorgen. Das ist ein großer Schritt für sie. Ich bin überzeugt, mit ein wenig Hilfe geht es ihr bald wieder gut. Rufen Sie morgen Vormittag in der psychiatrischen Abteilung im Round Hill an, das sind alles hervorragende Kollegen dort. Owen Kennedy hat sich auf junge Erwachsene spezialisiert, vielleicht möchte Roseanne ihn aufsuchen.«
    »Ich hab schon überlegt, ob ich sie bei mir arbeiten lasse«, sagte Arnie. »Auf dem Gelände in Paramus. Rosie ist gut in geschäftlichen Dingen, und ich dachte, wenn ich ihr eine Aufgabe gebe, etwas, worauf sie sich konzentrieren kann, abermeine Frau hat gesagt, sie weiß nicht, ob das das Beste ist. Aber ich glaube, ich muss was tun,

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