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Die Freundin meines Sohnes

Die Freundin meines Sohnes

Titel: Die Freundin meines Sohnes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Grodstein
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im Haus, in dem es Elaine derzeit nicht aushielt. Bei Essensgeruch, schon beim bloßen Gedanke daran, drehte sich ihr der Magen um. Sie brachte nur Grießbrei und den Vanille-Milkshake von McDonald’s herunter, den ich, weil sie das so lieber mochte, mit einer Tasse kaltem Wasser verlängerte.
    »Erinnerst du dich noch, als Mimis Schwester starb?«
    »Das war doch eine ganz andere Situation, Phil.« Mimis geliebte jüngere Schwester hatte in einem Friedenskorps der UN mitgearbeitet und war im Jahr zuvor bei einem Flugzeugabsturz in Ghana ums Leben gekommen.
    »Wir waren alle so auf Mimi und ihre Eltern fixiert, dass wir nicht daran dachten, wie das für die Mädchen sein mag. Und dann bekommt Lindsey Alpträume, macht nachts ins Bett, will nicht mehr zur Ballettschule gehen, und wir müssen ihr Prozac geben.«
    Wenn er die Privatsphäre seiner Tochter wenigstens ein bisschen respektierte! »Naja, hier liegt die Sache etwas anders«, sagte ich. »Erstens ist Elaine nicht bei einem Flugzeugabsturz umgekommen …«
    »Sei nicht sarkastisch«, sagte Phil pikiert. »Das war eine Tragödie.«
    »Natürlich war das eine Tragödie, Phil«, sagte ich. »Und ich fand das Ganze schrecklich, wie du weißt. Ich meine ja nur, hier sind die Umstände anders. Alec war ganz großartig. Er hat Elaine voll unterstützt, war sehr lieb zu ihr, hat bei der Hausarbeit geholfen. Um ihn mache ich mir keine Sorgen.« Bis zu dem Zeitpunkt stimmte das auch. Alec war damals in seinem zweiten Highschooljahr, spielte noch Fußball in der Schulmannschaft und malte alle Bühnenbilder für die Musicals, die sie an der Highschool einstudierten. Und natürlich ging er auch in seinen Kunstunterricht. Er hatte angeboten, auf alles zu verzichten, wenn ich – oder seine Mutter – ihn zuHause mehr brauchten, wir waren beide so gerührt über die Geste, dass wir fast geweint hätten. Dann versicherten wir ihm, nein, wir wollten, dass sein Leben genauso weiterging wie bisher. Und so war es auch.
    »Lindseys Psychiater kostet dreihundert Dollar die Stunde«, sagte Phil. »Aber ehrlich, das ist es uns wert. Es gibt aber auch günstigere Angebote, wenn man sich in der Preisgruppe nicht wohlfühlt. Ich bin sicher, dass es auch städtische Therapeuten gibt, wenn dir das lieber ist. Oder vielleicht kennst du Psychiater am Krankenhaus, die …«
    »Phil, wenn ich der Ansicht wäre, Alec brauchte eine Therapie, würde ich sie bezahlen.«
    »Klar«, sagte Phil. »Ich weiß. Ich sag ja auch nur, manchmal gibt es versteckte Symptome. Was Kinder dir sagen, ist nicht das Problem«, sagte er. »Was sie dir nicht sagen, da liegt der Hase im Pfeffer.«
    Ich wollte keine Erziehungsratschläge von meinem Bruder und sah zu Boden.
    »Auf jeden Fall«, sagte Phil, »sieht sie toll aus. Die haben die OP phantastisch hingekriegt. Man käme nie darauf, dass sie eine Mastektomie hatte. Ehrlich. Ein Meisterstück.«
    »Du hast dir Elaines Brüste angesehen?«
    »Aber nicht aus Geilheit, Pete. Sie hatte gerade einen operativen Brustaufbau«, sagte er. »Ich wollte einfach wissen, wie sie aussieht.«
    »Du hast meinen Vorbau begutachtet, Phil?« Elaine kam zum ersten Mal seit Wochen in die Küche, dicht gefolgt von einer finster dreinblickenden, verhärmt aussehenden Mimi. Meine Frau hatte sich für den Besuch zurechtgemacht, sie trug einen langen Kaschmirpullover, den Iris ihr nach der Operation – »Du schaffst das!« – geschenkt hatte. Die kratzige Nylonperücke hatte sie nicht auf, sondern sich mit einem um den Kopf geschlungenen geblümten Tuch beholfen. DieHaare waren ihr nicht komplett ausgefallen, sie hatte noch Augenbrauen und Wimpern und eine kuriose Tonsur.
    »Deinen Vorbau begutachtet?« Phil lachte. »Aber sicher doch. Und der sieht toll aus, wenn ich das sagen darf. Dein Mann kann bestätigen, dass ich ihn als Meisterstück bezeichnet habe.«
    »Vielen Dank.« Elaine griente. Sie war so guter Stimmung wie noch nie nach der Operation. »Das denke ich selbst auch immer.« Sie setzte sich zu uns an den Tisch, und Mimi kam mit einem Tablett voll Mineralwasser.
    »Hör mal«, sagte Phil. »Ich hab gerade zu Big Brother hier gesagt« – so bezeichnete er mich oft in Gesprächen: als Big Brother – »ihr solltet vielleicht mal überlegen, ob Alec eine Therapie brauchen könnte. Nur zur Sicherheit, damit er das mit deiner Krankheit richtig verarbeitet.«
    Als ob Elaine nicht schon genug im Kopf hätte! Warum konnte er nicht einfach seine Mitbringsel abladen und

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