Die Freundin meines Sohnes
klappernd nach Tellern, Messern, Senf. »Es geht jeden Tag ein bisschen aufwärts, wirst sehen.«
»Bis zur nächsten Runde«, erwiderte Elaine seufzend und stopfte sich die nächste Scheibe Pastrami in den Mund. »Wisst ihr, wie mir die Übelkeit heute vorkommt? Ein bisschen wie schwanger. Wie diese verrückten Schwangerschaftszustände, eben noch hast du einen Bärenhunger, und gleich darauf willst du dich übergeben.«
»Daran erinnere ich mich sehr gut«, sagte Mimi.
»Ich wünschte, ich könnte noch mal schwanger werden«, sagte Elaine. »Du nicht auch, Pete? Wär es nicht schön, noch mal ein Kind zu bekommen? Vielleicht könnte ich ja. Vielleicht hat die Chemo nicht alles in mir kaputtgemacht.«
»Wirklich?«, sagte Mimi. »Du würdest noch ein Kind bekommen wollen? Schon die Vorstellung, ich könnte das nicht. Die Kraft habe ich nicht mehr. Ich warte lieber auf Enkel.«
»Ach, ich weiß nicht.« Elaine lächelte. »Ein kleines Kind im Haus, da hätte man was, worauf man sich freuen kann. Das würde das alles wettmachen.«
Elaine war siebenundvierzig und bekam Bestrahlung. Die nächsten sechs Monate erhielt sie jeweils 50 Milligramm Cytoxan mit einem Hickman-Katheter. Und schon vor alledem, schon zwanzig Jahre zuvor, hatte sie mehrere Embryos verloren.
»Ein Brüderchen für Alec«, sagte Mimi sinnend.
»Was meinst du, Pete?«
»Seht euch sein Gesicht an«, sagte Phil lachend. »Weiß wie ein Gespenst. Er will sich in fünfzehn Jahren zur Ruhe setzen.Big Brother möchte nicht noch mal fürs College blechen, wenn es eigentlich Zeit ist, sich eine nette Bleibe in Florida zu kaufen und in den Seniorensonnenuntergang zu segeln.«
Worüber redeten wir hier? Hatten alle im Raum den Verstand verloren? Ich stand auf und ging zu dem Fenster hinüber, von dem aus man den Garten sieht. Alec und seine Cousinen lümmelten auf der Terrasse herum. Sie sahen aus, als diskutierten sie über etwas Wichtiges, hielten sich an ihrer Coke fest und spitzten die Lippen. Alec braucht eine Therapie? Alec braucht ärztliche Hilfe? Alec braucht einen Bruder oder eine Schwester?
»Keine Bange, Schatz«, rief Elaine. »Ich meine das doch nicht ernst.«
Aber Elaine, selbst wenn es so wäre – es wäre unmöglich.
»Ich bin bloß ein bisschen wehmütig beim Gedanken an meine Weiblichkeit, weiter nichts. Eigentlich will ich gar kein Baby.«
»Okay«, sagte ich und sah weiter zum Fenster hinaus. So viele Jahre hatten wir uns ein Kind gewünscht. Und jetzt stand unser schlaksiger Sohn im Garten hinter unserem Haus.
»Pete, kann ich dir ein Sandwich machen?«, sagte sie.
»Das wäre nett.«
»Pastrami oder Corned Beef?«
»Wie du willst«, sagte ich, setzte mich wieder an den Tisch und sah zu, wie meine Frau mit dem geblümten Turban auf dem Kopf sich französischen Senf von den Fingern leckte. Ein paar Stunden später fuhren Phil, Mimi und die Mädchen wieder, und Elaine verschwand ins Bad, wo sie alles erbrach, was sie an dem Tag gegessen hatte. Wir saßen gemeinsam auf dem kalten Badezimmerboden, und ich rieb ihr den Rücken und kühlte ihr mit feuchten Handtüchern den Nacken. Gegen sieben brachte ich sie ins Bett, und anschließend liehen Alecund ich uns einen Film aus, etwas Lautes, Stupides mit einem Haufen Explosionen, und er und ich saßen auf der Couch und mampften die Reste des Fleisches aus dem Deli, und noch später gingen wir ins Bett, Bruce Willis’ Schreie, er brauche Hilfe, noch im Ohr. Wenn sie unseren Sohn pathologisieren wollten, konnten sie das natürlich tun. Ich war der Meinung, er war ungefähr so perfekt, wie ein Fünfzehnjähriger nur sein konnte.
KAPITEL ACHT
H ätte Elaine ihre Diagnose im Jahre 1971 bekommen, hätte ihre Chance auf eine fünfjährige Überlebenszeit circa dreißig Prozent betragen. Bei einer Diagnose im Jahre 1981 wäre ihre Überlebenschance noch einmal um fünfzehn Prozent gestiegen. Aber Elaine bekam sie im April 2001, und daher waren weder Rhonda Nighly noch sonst jemand auf der Onkologiestation sonderlich überrascht, dass Elaines Östrogenspiegel schon wenige Monate nach Beginn ihrer Chemotherapie wieder normal und sie genauso gesund und krebsfrei war wie zehn Jahre zuvor. Sie hatte abgenommen. Ihre Haare wuchsen wieder und ließen sich mit den Händen zu einer frechen Kurzhaarfrisur aufstellen. Sie legte ein bisschen mehr Make-up auf, um die Wangen rosiger und die Augen strahlender wirken zu lassen. Trug jetzt auch mehr Schmuck.
Es war die Renaissance unserer Ehe, die
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