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Die Freundin meines Sohnes

Die Freundin meines Sohnes

Titel: Die Freundin meines Sohnes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Grodstein
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gehen?
    Aber Elaine nahm es gut auf. »Weißt du«, sagte sie und trank einen Schluck Wasser, »daran hab ich auch schon gedacht, aber Alec geht so reif damit um, so vernünftig. Ich hab ihn sogar schon mal direkt gefragt.«
    »Du hast mit ihm darüber gesprochen?«
    »Klar.« Sie sah mich irritiert an – hatte sie etwas falsch gemacht? »Ob er vielleicht mit jemandem besprechen möchte, was gesundheitlich bei mir los ist. Er war überrascht, dass ich es überhaupt vorgeschlagen hab.«
    »Natürlich war er überrascht«, sagte ich. »Er kommt ja gut damit klar.«
    »Euer Sohn ist so ein netter Junge«, sagte Mimi seufzend. Sie sprach vollkommen flüssig Englisch, und trotzdem hörten sich ihre Sätze oft ein bisschen schief an, wie schlecht übersetzt. »Er möchte für seine Eltern da sein und kann deshalb keine Hilfe für sich in Anspruch nehmen.«
    »Meinst du das wirklich?«, sagte Elaine. »Er hat Angst, etwas von uns zu verlangen?«
    »Ich finde, der Junge braucht einfach keine Therapie.«
    »Das ist kein Eingeständnis von Schwäche, Pete«, sagte Phil. »Ich bin auch schon mal bei einem Therapeuten gewesen. Ich schäme mich nicht, das zuzugeben.«
    »Warum hast du einen Therapeuten konsultiert?«
    »Geht dich das wirklich etwas an?«
    »Du hast davon angefangen.«
    »Seine Freunde sind alle gegangen.« Mimi lächelte. »Da konnte Phil nicht anders.«
    »Ich bin ein Mensch, Pete. Wir alle haben tief in unserer Seele Verletzungen, die es lohnt, ans Licht zu bringen, Verletzungen, die beim Aufwachsen zwangsläufig entstehen. Ich dachte, ich hätte vielleicht bestimmte psychische … Beschwerden ist wohl das richtige Wort … Beschwerden, denen auf den Grund zu gehen sich lohnt. Deshalb dachte ich, ich probier’s.«
    »Psychische Beschwerden.«
    »Ich bin nur ein paarmal da gewesen«, sagte er. »Aber ich fand es hilfreich. Und wenn mein Terminkalender es hergegeben hätte, hätte ich vielleicht sogar eine Analyse gemacht – das hätte mich wirklich interessiert. Mein Psychiater hat gesagt, es gebe einige interessante Dinge bei mir, und denen hätte ich mit einer Psychoanalyse gut auf die Spur kommen können. Aber«, sagte er, »ich habe dafür einfach keine Zeit. Analyse heißt Fünftagewoche, eine Stunde pro Tag. Und die Stunde zusätzlich pro Tag habe ich nicht, dafür habe ich zu viel zu tun.«
    »Phil«, sagte Mimi, »wir sprechen gerade über Alec. Und Pete sagt, er braucht keine Therapie. Also wird er wohl auch keine brauchen. Aber trotzdem, vielleicht solltest du ihn mal fragen?«
    »Mich was fragen?«, sagte Alec, der mit seinen zwei Cousinen im Schlepptau in die Küche marschiert kam. Wir waren jetzt zu siebt im Raum, und auf einmal kam mir Elaines geschwächtes Immunsystem in den Sinn.
    »Möchtest du eine Therapie machen, Alec?«, fragte Phil.
    »Therapie? Warum?«
    »Um mit der Krankheit deiner Mutter klar zu kommen.«
    Ich drückte mir die geballte Faust an die Stirn.
    »Oh«, sagte Alec. Er ging an den Kühlschrank und nahm drei Dosen Coke heraus. »Nö«, sagte er. »Ich mein, ich verstehe, warum du mich fragst, aber ich glaub, ich bin okay.«
    »Sicher?«
    »Sicher«, sagte er und verschwand ohne ein weiteres Wort mit seinen Cousinen durch die Hintertür nach draußen.
    »Okay«, sagte Mimi. »Sieht so aus, als wolle er keine Therapie.«
    Ich hatte immer noch die Faust an der Stirn.
    »Ich würde trotzdem ein Auge auf ihn haben«, sagte Phil. Er streckte die Arme über den Kopf. »Aber du hast recht. Er ist ein ausgeglichener Junge.« Er schlug die Hände auf unseren Tisch. »Ich mach mir ein Sandwich. Noch jemand eins?«
    »Ach«, sagte Elaine, »vielleicht ist mir auch nach einem Happen.«
    »Du machst Witze«, sagte ich.
    »Ein bisschen Gesellschaft wirkt bei mir offenbar Wunder«, sagte sie lächelnd. »Ich hab Appetit bekommen.« Das war natürlich toll, aber diese Gesellschaft, Elaine? Ausgerechnet diese ? Und zur Krönung dieses Therapiegeschwätz und eine Platte mit schwer verdaulichem Corned Beef und Pastrami, die sie sich hätten schenken können. Genauso wie die Plastikbehälter mit Hühnersuppe – du bist schließlich nicht erkältet, sondern hast Krebs.
    Doch plötzlich stand Elaine an der marmornen Frühstückstheke,angelte sich eine Scheibe Pastrami von der Platte und aß sie aus der Hand. »Köstlich«, sagte sie. »Ich weiß auch nicht, warum, aber es tut gut, mal feste Nahrung zu sich zu nehmen.«
    »Das ist großartig, Elaine«, sagte Mimi und suchte in unseren Schränken

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