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Die Frühreifen (German Edition)

Die Frühreifen (German Edition)

Titel: Die Frühreifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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sprach noch immer über ihre unvermeidliche Annäherung, über diese Situation, mit der sie konfrontiert waren und die sie gemeinsam meistern würden, dank der Liebe, dank der Unverwundbarkeit der Bande, die sie aneinanderschweißten, blablabla, auch wenn er davon noch nichts merkte. Wie pathetisch sie war.
    Sie streckte ihm die Hand entgegen, schenkte ihm ein sanftes Lächeln – also nein, sie war manchmal total neben der Spur, diese Frau, aber wirklich, diese Frau, die er im Grunde kaum kannte. Evy wagte gar nicht an die folgenden Jahre zu denken, falls Richard sie allein lassen würde, an die Gefühlsduselei ohne Ende, die sie ihm aufzwingen würde bis zum Gehtnichtmehr.
    »Nun komm doch mal zu mir«, sagte sie nachdrücklich.
    Da er sich nicht rührte, fragte ihn Judith, wie er nur so herzlos sein könne. Diese alte Ziege, puh, was die für einen Scheiß verzapfte!
    Er zuckte die Achseln. Es wurde erzählt, er sei ihr als Kind auf den Schoß gehüpft und um den Hals gefallen, sobald sie irgendwo in der Nähe auftauchte – aber es wurde auch erzählt, die Welt sei damals noch angenehmer und sicherer gewesen und all solcher Quatsch.
    Laure seufzte enttäuscht. Es wurde für ihn also höchste Zeit, sich zu verkrümeln, und zwar schnell, vor allem da er aus den Augenwinkeln gesehen hatte, wie sein Großvater sie beobachtete – neben dem Swimmingpool redete Lucette Fortville, eine Frau in den Sechzigern, unentwegt auf ihn ein, aber er blickte in ihre Richtung und legte die Stirn in Falten wie ein zu den Wilden entsandter Blauhelm.
    Mit einem Satz tauchte er in der Menge unter – die Gäste waren zahlreich, der Garten groß, die Büsche, hinter denen man im Nu verschwinden konnte, um X oder Y zu entwischen, dicht belaubt. Er lief hinter das Haus, an Wänden entlang, an denen im Dunkeln flüsternde Paare lehnten und wilder Wein rankte.
    Auf der Treppe zur Küche knabberte er noch eine Lexomil-Tablette, während Andreas ihm einen weiteren Daiquiri einschenkte.
    »Du glaubst, du hast den Geschmack an der Sache verloren«, erklärte ihm Andreas. »Das glaubst du. Das hast du dir in den Kopf gesetzt.«
    »Also sagen wir mal, ich spare mir die Sache auf. Sagen wir mal, ich warte lieber noch etwas damit, das kann dir doch scheißegal sein.«
    »Jetzt hab ich’s kapiert«, gluckste Andreas, »du bist ein Kavalier. Du bist ein regelrechter Kavalier. Was sagst du dazu?«
    »Ich weiß nicht. Ich weiß wirklich nicht, ob ich Lust habe, mit einem Trottel zu reden.«
    Sie leerten schweigend ihre Gläser und ließen den Blick zerstreut über die Gäste schweifen, die an ihnen vorbeigingen, lustwandelten, umherirrten, im Kreis liefen, über den knirschenden weißen Kies stolperten oder einen Schlenker durch die Rosen machten. Die Nacht schritt voran. Anaïs hatte Schweißringe unter den Achseln. Ihr zufolge war Michèle nach oben gegangen, um ihre Mutter zu trösten, die plötzlich schlappgemacht hatte und zwar aus dem einfachen Grund, daß ihr Mann nicht auf einem Flughafen, sondern, dem Detektiv zufolge, den sie eine Woche zuvor eingestellt hatte, im Schlafzimmer einer in Lederdessous gekleideten Chefsekretärin festsaß, und zack! schon war sie in Tränen ausgebrochen und hatte sich in ihr Zimmer zurückgezogen.
    Diese Information beeindruckte die Jungen nicht sonderlich, sie waren solche Mätzchen derart gewohnt – in der näheren Umgebung und fast überall war das zu einer Art Sport geworden –, daß sie in ihren Augen wie Schneeflocken auf ein verschneites Feld fielen, zum allgemeinen Klima gehörten, keine Beachtung fanden.
    »Das Witzige daran ist, daß sie es schon seit heute morgen weiß. Sie hält den ganzen Tag brav durch und, was soll ich sagen… sechzehn?… achtzehn Stunden später?… Vor fünf Minuten hat sie noch gelächelt, und jetzt ist sie in Tränen aufgelöst.«
    »Hör zu, jetzt geh uns nicht damit auf den Geist«, erwiderte Andreas. »Haben wir dich vielleicht nach Einzelheiten gefragt?«
    »Dabei ist sie gar nicht so schlimm«, murmelte Evy. »Marlène ist nicht die Schlimmste von allen.«
    »Was meinst du damit? Um zu vögeln? Hast du vor, sie zu vögeln?«
    »Ich will gar niemanden vögeln. Das hab ich dir schon gesagt.«
    »Das ist vielleicht eine Unterhaltung!« gluckste Anaïs.
    »Kommt, das sehen wir uns an!« erklärte Andreas.
    Als sie aufstanden, stellten sie fest, daß sie schon ordentlich einen in der Krone hatten. Sie waren zweifellos die jüngsten Teilnehmer dieser Fete – Michèles

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