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Die Frühreifen (German Edition)

Die Frühreifen (German Edition)

Titel: Die Frühreifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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und Schatten im Hof und Spiegelungen auf den Fenstern tanzen ließen.
    Im Vorübergehen stopften sie sich die Taschen mit schmerzstillenden Mitteln und anderen Medikamenten für die Erste Hilfe voll, die unverträglich mit Alkohol waren und deren vorgeschriebene Dosis auf keinen Fall überschritten werden durfte. Das war gar nicht so übel. Das war besser als nichts, vor allem in jenen tödlichen Monaten, in denen sie nicht das geringste hatten, mit dem sie sich antörnen konnten, außerdem konnte das Zeug als Tauschobjekt dienen – Dany Clarence zerstampfte die Tabletten, fügte etwas Speed hinzu, schüttete die Mischung in Kapseln und verkaufte diese anschließend in Zehnerpackungen an Typen, die in der Plattenbranche arbeiteten und jeden Scheiß schluckten, so beknackt und eitel waren die.
    Sie leerten noch ein paar Schubladen und machten sich dann im Halbdunkel auf den Weg zum Büro der Krankenschwester, wobei ihnen jedoch nur eine magere Beute in die Hände fiel.
    Als sie dort ankamen, wechselten sie einen zufriedenen Blick, denn alles hatte wunderbar geklappt. Da sie in der Hocke waren und Michèle einen Rock trug, warf Andreas einen Blick zwischen ihre Beine auf ihr helles Baumwollhöschen, und Evy mußte ihn an den Schultern schütteln, damit er sich wieder in Bewegung setzte.
    Sie gelangten in die Eingangshalle. Das Verwaltungsbüro befand sich im rechten Flügel hinter dem Mehrzwecksaal. Evy hatte sich ausgerechnet, daß das Geld, das sie zu entwenden gedachten – den Betriebsfonds, der höchstens ein paar tausend Euro betragen konnte –, nicht einmal an die Summe herankam, die Brillantmont jedem einzelnen für ein Trimester abverlangte, aber diese Art von Überlegungen wurde gar nicht erst in die Waagschale gelegt. Sie brauchten nicht auf irgend jemanden sauer zu sein, um das zu tun, was sie taten.
    Die Kasse, die kaum größer war als ein Schuhkarton und nur mit einem lächerlich kleinen Schloß aus Weißblech abgeschlossen war, befand sich in einem Metallschrank, dessen Türen sich in Falten legten wie ein Akkordeonbalg, als Evy sie aufbrach – im übrigen gaben die Scharniere nach, der Griff rührte sich nicht. Reiner Schund. Nur in Supermärkten zu erstehen.
    Es befanden sich tausendzweihundert Euro und ein paar Zerquetschte darin. Ein ziemlich mageres Ergebnis. Dennoch war Evy glücklich, dieses Geld zu sehen, es in der Hand zu spüren, denn es fiel nicht vom Himmel und stammte auch nicht aus der Handtasche seiner Mutter, er hatte es sich in gewisser Weise sauer verdient und freute sich schon sehr darauf, es Gaby Gurlitch zur Verfügung zu stellen, und fühlte sich bei dieser Handlung völlig im Einklang mit sich selbst.
    »Was haltet ihr davon, wenn wir mal bei Anaïs reinschauen?« schlug Michèle vor, während Evy die Scheine in die Tasche steckte. Als er sich zu ihr umwandte, begegnete er Andreas’ Blick, der plötzlich aufleuchtete und unheilvoll funkelte. »Eins muß man zugeben«, erklärte Andreas. »Ja, eins muß man wirklich zugeben. Sie macht sich nicht in die Hose. Wenn sie will, dann macht sie sich nicht in die Hose, das muß ich schon sagen. Das werd ich nie vergessen.« Die beiden Jungen waren total platt.
    In die Wohnung der Delacostas einzubrechen konnte ihnen mit Sicherheit großen Ärger einbringen, aber ihre Erregung war um eine Stufe gestiegen, und das war etwas, was ihnen gefiel, das war wirklich etwas Seltenes, was sich durch nichts ersetzen ließ.
    Sie rempelten sich vor Ungeduld fast gegenseitig an, als sie in den Innenhof zurückliefen, wo der Himmel inzwischen dunkler geworden war. Der Wind wirbelte durch die Finsternis, die schwarze Silhouette der Gebäude ragte aus dem Grabeslicht hervor, das von dem plötzlich aufgekommenen leichten Nebel ausging. Michèle bat sie, einen Moment zu warten, um einen Schnürsenkel zu verknoten. Währenddessen musterten die beiden Jungen die Fassade, hinter der sich die Wohnung von Anaïs und ihrer Familie befand, und warfen einen Blick auf die Turnhalle.
    Es war durchaus interessant zu sehen, wie sich die Alten dabei anstellten.
    Die Sache fand hinter einer Drehtür statt, die auf einen Basketballplatz hinausging, der vollständig von einer Brillenfirma und den Fruchtsäften Tropicana finanziert worden war. Auf der rechten Seite waren die Umkleideräume und die Duschen. Auf der linken Seite hockte ein Typ, der eine Frau in Seidenstrümpfen und Bluse in den Arsch fickte. Ein zweiter Typ, der ebenfalls ziemlich fett und glatzköpfig war,

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