Die Frühreifen (German Edition)
lag unter ihr und pimperte sie mit großem Eifer. Ganz in der Nähe befand sich der Hausmeister mit zwei Frauen um die Sechzig mit glühend roten Wangen und verklebtem Haar, und überall wurde geblasen und geleckt. Sie wälzten sich auf den Matten, die der Freundeskreis der Eltern gestiftet hatte, und keuchten, hechelten, stöhnten vor Lust, flüsterten sich absurde Namen zu, und man hörte, wie ihre Ellbogen oder ihre Knie auf dem blauen Schaumgummi ausrutschten, das von den Körpersäften aller Teilnehmer glänzte, während drei andere reichlich betrunken Arm in Arm aus den Toiletten kamen und sich der Gruppe anschlossen.
In der Luft lag ein unangenehmer Geruch oder besser gesagt eine Mischung aus ausgesprochen unangenehmen Gerüchen. Evy und seine beiden Begleiter standen im Schatten eines Pferds im Eingang und hielten den Atem an, als ein Typ röchelnd seinen Samen in die Luft spritzte und dieser direkt im Haar einer Frau landete, die nach einem Moment der Unsicherheit in kreischendes Gelächter ausbrach, in das die Mehrzahl der anderen bald einstimmte.
Eine kleine magere Frau, die gerade in der Hocke von hinten gevögelt wurde, wischte sich den Mund an einem Papiertaschentuch ab, ein Typ goß Alkohol in Plastikbecher, eine Blonde hatte ein verklebtes Auge, eine Dunkelhaarige rauchte eine Zigarette, und eine Stimme klagte über Hämorrhoiden.
Nach fünf Minuten zupfte Michèle die anderen am Ärmel.
Sie zogen sich zurück. Zumindest würden sie ihre Ruhe haben.
Das Erdgeschoß bestand aus einer Garage und zwei Räumen, in denen sich das Archiv, die Akten der Schüler, irgendwelche Verwaltungspapiere, die Fahrräder der Familie Delacosta, das große Schwimmbecken aus hartem Kunststoff, das ihr Kleiner nicht mehr benutzte, sowie ihre Bergsteigerausrüstung, die Zelte, die Rucksäcke, die Schlafsäcke und die Wasserflaschen aus leicht verbeultem Aluminium befanden.
Da die Gefahr, die Aufmerksamkeit des Hausmeisters zu wecken, nur sehr gering war, fackelten die beiden Jungs nicht lange: sie machten sich gleichzeitig von beiden Seiten über das Schloß her, setzten die Kuhfüße so an, als wollten sie einen Zahn aus dem Kiefer hebeln, bis das Schloß mit einem gruseligen Knarren nachgab. Dann schlichen sie die Treppe hinauf.
Andreas bedauerte es, daß er nichts gefunden hatte, um sich auf ihre Kosten zu amüsieren. Michèle zuckte die Achseln. Inzwischen hatte Evy den Trick raus, und die Tür zu Delacostas Wohnung öffnete sich nach kurzer Zeit vor ihnen.
Das Wohnzimmer war völlig uninteressant. Die Einrichtung zeugte von schlechtem Geschmack, und der Fernseher stammte aus dem ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert, ebenso wie die Halogenlampen aus vergoldetem Metall und die Sessel, die mit einem langhaarigen synthetischen Stoff überzogen waren. Badezimmer und Klo waren so winzig, daß die drei sich fragend anblickten, aber die vier Becher mit den vier Zahnbürsten standen ordentlich in einer Reihe nebeneinander auf der Glaskonsole, das war wirklich affengeil – und offensichtlich benutzte die ganze Familie dieselbe gestreifte Zahnpasta, diese widerwärtige Zahnpasta, nebenbei gesagt, diese elende Zahnpasta, an der sich seinerzeit mehrere Menschen vergiftet hatten.
Im Zimmer von Anaïs’ Bruder, dem Hyperaktiven, roch es nach kleinem Jungen und Mückenschutzmittel. Die Federdecke lag zusammengerollt auf dem Bett. Im Elternschlafzimmer war sie ebenfalls zusammengerollt, aber in einem Ralph-Lauren-Bezug mit kolonialen Motiven in etwas verblichenen indischen Farben.
Auf der Tür von Anaïs’ Zimmer am anderen Ende des Flurs verriet ein Fahrverbotsschild das geistige Alter dieses armen Mädchens. Bis zur Türschwelle hatte der Teppichboden so gelitten, als sei er von einer ganzen Herde zertrampelt worden. Anaïs hatte ihr Zimmer abgeschlossen.
Ihre Matratze lag direkt auf dem Boden, was die weiseste Lösung zu sein schien – wenn Anaïs nicht das Schicksal herausfordern und das Risiko eingehen wollte, mitten in der Nacht durch die Latten eines biederen Bettgestells zu krachen –, und der Stuhl vor ihrem Schreibtisch war mit kräftigen Rollen versehen, die offensichtlich nachträglich angebracht worden waren. Im allgemeinen hatte Anaïs einen ziemlich starken Geruch, aber in ihrem Zimmer roch es seltsamerweise überhaupt nicht schlecht.
Jasmin. Aber im Grunde war das nicht verwunderlich, denn Lisa war verrückt nach Jasmin gewesen und Anaïs verrückt nach Lisa. Sie entdeckten Räucherstäbchen mit
Weitere Kostenlose Bücher