Die Frühreifen (German Edition)
Abenteuer zu einem Fiasko wurde! Ihre Mutter würde sie umbringen, das war sicher. Marlène Aramentis würde sie in Stücke schneiden.
Evys Arm schnellte vor wie eine Feder. Um ihn zu stoppen, packte Andreas seinen Spazierstock mit beiden Händen und ließ ihn in die entgegengesetzte Richtung durch die Luft sausen.
Evys Unterarm sah aus wie ein Motorradschlauch mit einer riesigen Beule, aber er war nicht gebrochen. Dany Clarence hatte ihn genau untersucht, sobald sie aus dem Auto gestiegen waren.
Er fand sie wirklich witzig. Diese Blagen waren zum Totlachen. Er hätte gern mit angesehen, wie sich die beiden Jungen auf dem Hof in die Haare geraten waren, während eine brennende Benzinflasche durch die Luft flog. Diese Generation, sagte er sich, das waren echte Marsmenschen, die auf einem feindlichen Planeten gelandet waren, der nicht für sie geschaffen und nicht sehr sympathisch war.
Mit noch weichen Knien von dem Abenteuer ließen sie sich in seine alten Sessel und auf sein altes Sofa sinken, dann schlug sich Dany auf die Schenkel und stand auf, um Bier aus seinem Kühlschrank zu holen. Sie waren wirklich zum Totlachen. Es schien ihnen nicht einmal bewußt zu sein, daß sie etwas Illegales begangen hatten, eine Straftat. Sie waren echt verrückt. Kam das von den Drogen? Nahmen sie zuviel davon oder zu oft? Oder lag es in ihrer Natur? Dany fand keine eindeutige Antwort darauf. Ab und zu versuchte er sie vor dem einen oder anderen Stoff, den er ihnen verkaufte, zu warnen, aber er hatte den Eindruck, als seien sie taub.
Sie hätten seine Kinder sein können. Dieser Gedanke war ihm noch nie zuvor gekommen, aber heute mußte er jedesmal daran denken, wenn er sie sah. Das hätte sicher viel Zeit, viel Mühe und viel Ärger bedeutet, außerdem hatte es ihn nie interessiert, eine Frau im Haus zu haben. Es war sowieso ein bißchen zu spät, darüber nachzudenken.
Er holte eine Packung Chips aus einem Schrank, eine Soße, die der örtliche Supermarkt direkt aus Mexiko importierte, und Rollmöpse aus Holland – er kannte allmählich ihren Geschmack, sie hatten ihren ersten Joint wie ihr erstes Ben & Jerry’s von ihm bekommen. Er beobachtete sie wortlos, während sie seine Vorräte verzehrten.
Er versuchte sich an ihre Stelle zu versetzen. Er fragte sich, wie er reagiert hätte, wenn er in ihrem Alter gewesen wäre, ob er etwas kapiert hätte. Intelligenz war für sie eine Überlebensfrage.
Er erinnerte sich an die Gespräche, die er zu der Zeit, als sie die Plattform in den Zweigen gebaut hatten, mit Richard Trendel geführt hatte. Er erinnerte sich noch, daß Richard und Laure an manchen Abenden schließlich zugegeben hatten, daß die Aufgabe, Kinder großzuziehen, vielleicht ihre Kräfte überstieg, daß es die härteste Schlacht war, der man sich aussetzen konnte. »Nimm irgendein Tier, egal, was für eins«, hatte Richard zu ihm gesagt und ihm dabei fest in die Augen gesehen, »nimm irgendein Tier der Schöpfung. Sobald es Junge hat, fangen die Probleme an. Sobald Kinder da sind. Sobald Nachkommen gezeugt werden. Wenn bis dahin alles in Ordnung war, geht es anschließend abwärts, und wenn es schon vorher Probleme gab, dann kannst du dir selbst denken, wie es weitergeht. Von dem Augenblick an, da sie Junge haben, beginnt ihr Leidensweg. Glaubst du mir das etwa nicht? Dabei ist das die reine Wahrheit. Ich weiß, wovon ich spreche.«
Das gab allerdings zu denken. Früher, wenn Dany die Trendels sah, den Komfort, in dem sie lebten, wenn er sah, wie sie in einem nagelneuen Sportwagen am Wochenende aufs Land fuhren und buchstäblich durch die Lüfte schwebten, irrsinnig privilegiert, dann bedauerte er fast ein wenig, diese Art von Erfahrung nie machen zu können. Jetzt aber sagte er sich, wenn die Trendels mit all den Trümpfen, die sie in der Hand hatten, es nicht schafften, was hatte er dann schon für Chancen, was sollte er für Chancen haben, wo er doch nur mit Mühe und Not für seinen Lebensunterhalt aufkam?
Er hatte klein beigegeben. Zeit war vergangen, aber der Mut hatte ihm gefehlt. Heute hatte er genug Geld auf der Seite, und er hatte ein Dach über dem Kopf. Im Grunde war die Zeit pfeifend vorübergeflogen wie ein Speer, mehr ließ sich dazu nicht sagen. Wie hatte ein Junkie wie Richard es bloß geschafft, so eine schöne Frau, Geld, Kinder und Sportwagen zu haben? Das war eine Frage, die sich Dany regelmäßig stellte. Er sagte sich, daß es nett wäre, wenn Richard, anstatt Romane zu schreiben, mal
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