Die Frühreifen (German Edition)
herrischen Geste hatte er seiner Frau geboten, endlich mit ihrem endlosen Geplapper über den gesamten Klatsch aus der Nachbarschaft aufzuhören – zum Beispiel über die zweifelhafte, um nicht zu sagen eindeutig sexuelle, auf jeden Fall sehr verdächtige Ursache der Hautkrankheit, die sich die Crozes auf den Seychellen zugezogen hatten und die ganz bestimmt nichts mit irgendwelchen Meeresmuscheln zu tun hatte.
›Wie kann man sich bloß an so einem Blödsinn, an so einem dürftigen Fraß weiden?‹ hatte er sich gefragt und Rose dabei angestarrt, ohne sich jedoch angesichts eines solchen Rätsels die Haare zu raufen. Manchmal wollte ihm das nicht in den Kopf hineingehen, es ließ ihn sprachlos, aber er hatte sich inzwischen einigermaßen daran gewöhnt, und er war aus dem Alter heraus, in dem man sich der Illusion hingibt, die geistigen Fähigkeiten seines Ehepartners könnten sich eines Tages verbessern, denn seien wir ehrlich, da hilft leider auch kein Lifting.
»Ist das nicht Dany Clarence?« sagte sie hinter ihm.
Er nickte mit einem leicht verzerrten Lächeln und zündete sich einen Zigarillo an.
Als er damals beschlossen hatte, ein paar Renovierungsarbeiten im Hause seines Sohnes ausführen zu lassen – die meisten Söhne hätten, anstatt einen Wutanfall zu bekommen, ihrem Vater die Füße geküßt, der immerhin etwa fünfzigtausend Euro dafür hinblätterte –, hatte André vorgehabt, Dany Clarence mit den Malerarbeiten zu beauftragen, um sich diesem seltsamen Nachbarn gegenüber, an dem Richard und seine Familie aus irgendwelchen mysteriösen Gründen einen Narren gefressen zu haben schienen, barmherzig zu zeigen.
Aber wie man einen alten Klepper nicht in einen Derbysieger verwandeln kann, tat Dany Clarence drei Tage lang nichts, außer ein paar Plastikbahnen auf den Fußboden zu heften und Zigaretten zu rauchen, so daß André ihm schließlich mitteilte, er habe seine Schlüsse aus dem Experiment gezogen, er könne jetzt nach Hause gehen, solle aber aufpassen, daß er sich dabei keine Blasen an den Füßen hole.
Das war etwa fünfzehn Jahre her, aber André hatte sich ein für allemal eine feste Meinung gebildet, und die natürliche Antipathie, die er ohne die geringste Scham für diesen komischen Kauz empfand, hatte nicht ein bißchen nachgelassen, ebensowenig wie seine Verachtung für Individuen, die sich als Außenseiter der Gesellschaft verstanden, oder für Dummköpfe, die glaubten, das Leben sei ein reines Vergnügen – oder müsse es sein.
Er sah Rose in der Spiegelung der Fenstertür, während die anderen draußen im Garten herumturnten. Er bemerkte den geschlitzten Rock, den sie trug und aus dem ihr Schenkel wie eine Klinge hervorschaute, und fragte sich, ob seine Frau demnächst in einem kurzen Nachthemd zum Abendessen auftauchen würde. Ob er sich entschließen müsse, sie umzulegen, wenn es so weiterging. Na ja, Scherz beiseite, er fragte sich, ob Roses Hormonspiegel nicht völlig durcheinandergeraten war.
Er öffnete die Schiebetür, um Rose nicht mehr sehen zu müssen.
Er kam genau in dem Augenblick unter der Zeder an, als Dany Clarence, in einen Liegestuhl gelümmelt, Richard befahl, er solle sich um seinen eigenen Scheiß kümmern.
»Na, Richard, ein Problem, mein Junge?«
»Nein, Papa. Kein Problem.«
»Aber hast du gehört, was er gerade zu dir gesagt hat?«
»Das habe ich gehört. Das bringe ich schon selbst in Ordnung, Papa. Darum brauchst du dich nicht zu kümmern.«
»Ach weißt du, das macht mir gar nichts aus. Ich helfe dir gern, wenn es nötig ist.«
»Danke, aber ich brauche deine Hilfe nicht. Dany faßt sich bestimmt gleich wieder, und dann geht er brav nach Hause. Und morgen sehen wir weiter.«
»Dein Söhnchen hält mich für einen Idioten«, knurrte Dany. »Er sollte sich besser ganz klein machen, das kannst du mir glauben. Niemand in diesem Haus hat ein Interesse daran, mir auf den Sack zu gehen.«
Eine gewisse Verbitterung schwang in seinen Worten mit. Niemand hatte ein Interesse daran, ihm auf den Sack zu gehen. Niemand konnte sich an seine Stelle versetzen, vor allem nicht Richard, dieser ehemalige Junkie, der es wie durch ein Wunder geschafft hatte, reich zu werden und eine Familie zu gründen – auch wenn sich nicht leugnen ließ, daß oft jene Glück im Leben hatten, die es nicht im geringsten verdienten.
Als Dany noch Lisa vögelte, hatte er sich damit nur ein ganz kleines bißchen an Richard für dessen unverschämten Erfolg gerächt – er
Weitere Kostenlose Bücher