Die fünf Leben der Daisy West
ist.«
Cassie verdreht die Augen und steht dann ruckartig auf.
»Ich habe zu arbeiten«, erklärt sie. »Diesen Mist kannst du allein ausbaden, Mason.«
Sie verlässt den Raum und Mason starrt mich lange an, bevor er spricht.
»Daisy, ich sehe, wie sehr dir das an die Nieren geht. Deshalb will ich es auch begreifen. Für mich klingt es, als hätten die Agenten, die Nora aufgrund des Zwischenfalls im Food Court überwacht haben, nach dem Unfall die Gunst der Stunde genutzt. Sie haben dafür gesorgt, dass das Problem gelöst wird, indem Nora mit Revive wiederbelebt und umgesiedelt wird. Es ist absolut nachvollziehbar, dass die Agenten keine Staatsgeheimnisse preisgeben wollten und Nora deshalb den wahren Hintergrund verschwiegen haben. Aber ich sehe nicht, was Gott damit zu tun haben soll.«
»Das wollte ich gerade erzählen«, antworte ich und hole tief Luft. »Als wir an einem unserer ersten Tage in Omaha in den Zoo gegangen sind, hat mich im Aquarium ein Typ angesprochen. Er war plötzlich da, hat mir einige Fragen gestellt und ist dann wieder verschwunden. Danach konnte ich mich partout an nichts Besonderes erinnern, außer daran, dass er gelispelt hat.«
Mason sieht mich mit zusammengezogenen Brauen an, sagt aber nichts.
»Als Nora mir dann von dem Unfall erzählte, erwähnte sie, dass der Barmherzige Samariter, der sie gerettet hat, wie Daffy Duck klang, weil er gelispelt hat. Und als sie die Situation beschrieb, klang es total seltsam. Anscheinend hat der Typ nicht sofort reagiert und er hat einen ›Freund‹ und nicht den Notruf angerufen. Das hat mich misstrauisch gemacht und ich habe mich gefragt, ob es vielleicht derselbe Typ wie im Aquarium war. Am Anfang dachte ich, es wäre möglicherweise ein Agent, aber warum sollte ein Agent inkognitobleiben wollen, wenn er mit mir spricht? Ich kann mir nur eine Person vorstellen, die mir gegenüber unerkannt bleiben will und dann Nora umbringt. Und das ist ...«
»Gott«, beendet Mason nachdenklich meinen Satz.
»Genau.«
Plötzlich blitzen seine Augen auf.
»Was ist?«, frage ich.
»Nichts. Das Lispeln erinnerte mich nur an ... ach nichts«, bricht er ab und schüttelt den Kopf. »Warum sollte Gott in Omaha sein? Er hat keinerlei Verbindung zu Omaha, abgesehen davon, dass Cassie und ich dort sind und er trifft sich aus Prinzip nie persönlich mit Agenten. Für ihn gibt es keinerlei Grund, hier zu sein.«
»Wer weiß schon, wohin Gott geht und was er tut?«, gebe ich zu bedenken.
»Jedenfalls bringt er niemanden um«, sagt Mason und es klingt ein wenig, als versuche er sich selbst zu überzeugen.
»Bisher nicht«, entgegne ich. »Aber du hast selbst gesagt, dass in dem Programm gerade beunruhigende Veränderungen stattfinden. Da ist dieses Revive II und das neue Labor, und plötzlich sollt ihr neue Testpersonen wiederbeleben ...«
»Das stimmt«, unterbricht mich Mason, »aber was du unterstellst, geht zu weit. In dem Programm wird ein Mittel getestet, das Menschen ihr Leben zurückgibt – und nicht eines, das es ihnen raubt. Gott ist niemals für Noras Unfall verantwortlich.«
»Und wie erklärst du dir dann, dass das Einzige, was aus unserem Haus gestohlen wurde, mein Rucksack mit den Notizen ist, in denen ich alles genau aufgelistet habe?«
Mason wendet sich ab und sagt dann mit einem verhaltenen Lächeln: »Vielleicht hast du ihn in der Schule vergessen?«
»Hab ich nicht«, entgegne ich verärgert.
Abermals klingelt Masons Telefon. Er nimmt das Gespräch an und spricht so lange, dass ich kurz davor bin, in mein Zimmer zu gehen und die Sache aufzugeben. Doch dafür bin ich bereitszu weit gegangen. Als er fertig ist, mache ich einen weiteren Vorstoß.
»Mason, woran hat dich das Lispeln erinnert?«
Er seufzt. »Es hat mich an den Busunfall erinnert. Damals wurde für die Lokalnachrichten der Angestellte einer Tankstelle interviewt, die knapp einen Kilometer von der Brücke entfernt lag. Die Polizei suchte nach dem alten roten Lastwagen, der den Bus laut Zeugenaussagen in den See gedrängt hat. Der Mann von der Tankstelle behauptete, den LKW zehn Minuten vor dem Unfall gesehen zu haben. Der Fahrer habe bei ihm angehalten und ein Lotterielos gekauft. Angeblich hat er dort gesagt: ›Ich glaube, heute ist mein Glückstag‹«
Mason hält inne. Ich sehe ihn erwartungsvoll an.
»Der Tankwart konnte den Mann nicht beschreiben, er wusste nur noch, dass er lispelte«, fährt er fort.
»Ist das wahr?«, frage ich laut.
»Daisy, beruhige
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