Die Fuenfzig vom Abendblatt
an jeder Hausecke sehe und wenn ich daran denke, was für ein Affentheater da morgen aufgezogen werden soll — ich gebe ehrlich zu, daß es mir irgendwie in den Fingern kribbelt. Und euch geht es wohl genauso. Kann ich mir vorstellen —“
Chefredakteur Sprinter sah die Jungen an, und die Jungen sahen ihn an.
Und in die Stille sagte Sprinter dann plötzlich, wie zu sich selbst: „Wenn ich mir vorstelle, daß da vielleicht ein Löwe von seinem Dompteur gezwungen wird, ein Männchen zu bauen und ein Plakat im Maul zu halten mit der sinnigen Aufschrift:
Mensch, hast Du ‘ne lange Leitung,
Der Nachtexpreß ist Deine Zeitung!
Soviel kann ich gar nicht essen, wie ich da spucken möchte!“
Jetzt konnte Alibaba anstellen, was er wollte. Die ganze Horde war außer Rand und Band. Im Chor riefen sie den Spruch nach, und Sam wieherte vor Lachen wie ein Pferd.
Sprinter nahm lachend wieder Jackett und Mantel.
„Dann bin ich ja beruhigt. Ich meine, wenn ihr über die ganze Geschichte noch lachen könnt. Und das ist vielleicht auch das beste. Ich verabschiede mich, meine Herren.“ Er verneigte sich grinsend und ging los.
Als die Jungen allein waren, blieb es eine ganze Weile still.
„Und doch müßte irgendwas passieren“, meinte schließlich Erwin Kogge. Er sagte damit laut, was die meisten dachten.
„Nur reingehen und Tomaten werfen oder auf Schlüsseln pfeifen, wäre zu billig--“, gab Alibaba zu bedenken.
Sam fiel, wie immer, aus der Rolle. Er schlug vor, allen Artisten des Zirkus Bertoldi Schlafpulver in den Kaffee zu tun oder Rizinus. Dann könnten sie nicht auftreten, und die Redakteure des Nachtexpreß müßten selbst in die Manege.
„Du liest zuviel Groschenhefte.“ Alibaba sah den Negerjungen dabei gar nicht an. Er war am Nachdenken.
„Irgend etwas müßte passieren“, wiederholte Erwin Kogge wieder. Aber da sprang Alibaba auf. Er sah die Jungen an. Dabei legte er den Zeigefinger der rechten Hand an seine Nase. Und wenn er das tat, hatte er eine der zweitbesten Ideen. Das war so sicher wie die Steuer.
Der „Neue“ privat
Es mochte kurz vor Mittag dieses Tages sein, als plötzlich von Westen her ein leichter Wind aufkam. Zuerst waren es nur kleine, vereinzelte Wolken, die hier und dort am Himmel zu sehen waren. Bis dann der Wind immer kräftiger wurde und ganze Wolkenberge vor sich hertrieb, die wie Reiterschwärme vom Horizont heraufgejagt kamen. Und dann entlud sich die in der Luft angestaute Elektrizität zu einem jähen Gewitter, das mit Donner und Regen über die Stadt herfiel.
Auch auf das dunkle Schieferdach und die zwei spitzen Türmchen der weißen Villa, die am Rande der Stadt mitten in eine weite Parkanlage hineingebaut war, fiel der Regen wie aus Feuerwehrschläuchen. Der weiche Boden des Rasens und der Blumenbeete sog sich voll, bis die Nässe über ihm stand. Auch der kleine Sportplatz, der dicht hinter der Villa lag, war augenblicklich aufgeweicht. Nur das Oval der breiten Aschenbahn leistete noch Widerstand. Aber das schien dem Jungen, der dort mit seinem Rennrad gerade beim Training war, vollkommen zu genügen. Vielleicht daß er jetzt den schmalen Schädel nur noch mehr zwischen die Schultern zog.
Aber sein Tempo, mit dem er Runde für Runde über die Bahn zog, hatte sich nicht verringert. Im Gegenteil, es zog noch an.
„Sechs dreißig“, rief ein Mann von ungefähr fünfundvierzig Jahren, als der Junge jetzt in der Kurve an ihm vorbeiflitzte.
Dieser Mann trug einerseits einen Regenschirm und andererseits einen ziemlich neuen Trainingsanzug. Der Regenschirm aber paßte ganz offensichtlich besser zu ihm. Die ganze Erscheinung wirkte auf dem eingeregneten Sportplatz fremd. Nur die Stoppuhr, die der Mann in der Hand hielt, sprach dafür, daß er sich nicht verirrt hatte, sondern tatsächlich hierher gehörte.
„Sieben zehn“, rief er jetzt wieder so laut wie möglich. Der Junge auf seinem Rennrad kam gerade wieder auf ihn zu.
Der Mann unter dem Regenschirm hieß Werner Pistorius. Im allgemeinen schlicht und bequem nur Richard gerufen. Er war ursprünglich als Diener von Mr. Voss in Dienst genommen, beziehungsweise als „Butler“, wie man seine Tätigkeit im Zeichen der fortschreitenden Amerikanisierung jetzt nannte.
Etwa seit einem halben Jahr stand Richard aber ausschließlich dem jungen Mr. Voss zur Verfügung. Harald war erst vor drei Jahren aus Amerika zurückgekommen, hatte dann bei den Eltern seiner Mutter in Stuttgart das Abitur gemacht und lebte jetzt
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