Die Fuenfzig vom Abendblatt
nachdenklich über den breiten Korridor des Erdgeschosses. Daß der Allgewaltige höchst persönlich einen Jungen für die Horde vorschlug, war immerhin etwas Außergewöhnliches.
„Hallo!“ Plötzlich stand Chefredakteur Sprinter mit seiner Pfeife im Mund vor Alibaba.
„Alibaba mit Denkerfalten. Mal was ganz Neues!“
Der Rothaarige grinste. „Mal so, mal so „Aber trifft sich gut. Wollte gerade zu dir. Habe einiges vor mit euch. Wir müßten uns mal drüber unterhalten.“
„Darf ich bitten?“
Alibaba wußte, daß seine Jungen jetzt gerade ziemlich vollzählig im Aufenthaltsraum versammelt waren. Er führte Sprinter also die paar Stufen ins Freie und über den Hof.
Ein paar Minuten später stand der Chefredakteur im Kreis der Horde. Die Abendblatt-Jungen hatten auf Stühlen, Tischen und Kisten Platz genommen.
Das heißt, bis auf einen schmalen, schwarzhaarigen Jungen, der noch stehengeblieben war. Diesen Jungen bemerkte jetzt Alibaba, und er bat Sprinter, daß er ihn unterbrechen dürfe.
Alibaba gab dem Schwarzhaarigen ein Zeichen mit dem Kopf, er solle mal näher rankommen.
„Du kannst dich einstweilen hierher setzen — ich habe mit Mr. Voss gesprochen. Er will dich heute nachmittag noch sehen, aber grundsätzlich ist er damit einverstanden, daß du zu uns kommst.“ Und zu den andern gewandt, fuhr er fort: „Das ist Mario. Er kommt für einen von den beiden, die zur Setzerei gegangen sind.“
Der schmale Junge sah sich etwas scheu im Kreise um und versuchte zu lächeln. Dann setzte er sich. Er hatte tiefschwarzes Haar und ein sehr schmales Gesicht, mit ebenfalls sehr dunklen, lebhaften Augen, die ständig in Bewegung waren.
Als jetzt. Sprinter seine Pfeife aus dem Mund nahm und die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich lenkte, schien der Neue darüber offenbar sehr glücklich zu sein. Er hatte die Blicke der Jungen wie Stiche empfunden.
Vor diesem Augenblick, da er das erste Mal vor all die fremden Gesichter treten müßte, hatte sich der junge Italiener am meisten gefürchtet. Er hatte es sich so sehr gewünscht, wieder einmal unter Gleichaltrigen zu sein — und gerade unter den Jungen des Abendblattes, denen er schon lange Abend für Abend sehnsüchtig vom Gehsteig aus nachgeschaut hatte, wenn sie in ihren roten Pullovern und auf ihren vollbepackten Fahrrädern an ihm vorübergesaust waren. Es hatte doch Mut gekostet, den Worten des rothaarigen Jungen da drüben Folge zu leisten, der ihm vorgestern abend nur gesagt hatte: „Komm mal morgen nachmittag vorbei. Ich werde dich den andern vorstellen — es wird schon klargehen, denke ich Ein allgemeines beifälliges Gemurmel schreckte den schwarzhaarigen Mario aus seinen Gedanken. Ein paar der Jungen waren lebhaft aufgesprungen. Sam schwang sogar einen Stuhl durch die Luft. Aber Alibaba sorgte wieder für Ruhe.
„Laßt doch Herrn Sprinter weiterreden.“
Erst jetzt merkte Mario, daß der Chefredakteur schon seit einer Weile zu sprechen begonnen hatte.
Der Chefredakteur hatte lächelnd die Begeisterung der Meute wahrgenommen. Eine Wolke feinen Rauches kam zwischen seinen Zähnen hervor, ehe er jetzt weitersprach:
„- da ist also die Sache mit der Zirkusvorstellung. Wer fünfzig Titelköpfe des Nachtexpreß abliefert, erhält an der Kasse ein Freibillett für den Zirkus. Das Zelt von Bertoldi steht — wie ihr ja wißt — drüben am Hafen bei den Werften. Es soll nun eine besondere Sensation sein, daß bei dieser Sondervorstellung morgen abend, die ausschließlich vom Nachtexpreß aufgekauft ist, Trapezkünstler oder Seiltänzer, die hoch in der Spitze des Zeltes arbeiten, ganz ohne Netz auftreten.
Diese Nervenkitzelei, so denkt man sich, wird die Menschen besonders anziehen. Eine ganze Anzeigenseite des Nachtexpreß war gestern abend voll davon. Und die knallgelben Plakate überall in der Stadt sind ja nicht zu übersehen — --“
Chefredakteur Sprinter zog bei diesen Worten Mantel und Jackett aus und warf beides neben sich über einen Stuhl. Es war ziemlich heiß in der niedrigen Halle.
„Und was macht das Abendblatt?“ fragte einer der Jungen.
„Diese Frage baumelt natürlich in der Luft, wie man so schön sagt.“ Sprinter zog wieder mal an seiner Pfeife. „Ich habe sie auch Mr. Voss gestellt. Er ist der Meinung, daß eine gute Zeitung eine derartige Reklame nicht nötig hat. Auf die Dauer würde allein entscheiden, welche Zeitung besser und interessanter gemacht sei. Schön, das stimmt schon. Aber wenn ich diese gelben Plakate
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